So größenwahnsinnig ich ja wohl schon von Geburt an war, so bescheiden waren die Wünsche meiner Frau Mama.
Irgendwas war bei mir ja schief gegangen, denn ich war kein kleines Mädchen, ich war eindeutig ein kleiner Junge! (meine Schwester bot aber ausreichend Ersatz, sie liebe rosa Seidenschleifchen in den Haaren, spielte mit Puppen und machte ständig nur langweiligen Mädchenkram)
Derweil meine Schwester also stundenlang andächtig meiner Großmutter beim Nähen von Puppenkleidchen zuguckte, turnte ich auf Bäumen herum, trieb mich auf Baustellen herum oder prügelte mich mit den Jungs. Wenn ich abends heimkam, wurde ich an der Haustür an meinen Klamotten hochgehoben und so wie ich war, in die Badewanne gestellt. Dort wurden dann erst mal meine Taschen ausgeleert (nicht selten gab es lebendige Fundstücke wie Frösche oder Schnecken) und dann der gröbste Dreck abgeklopft. In ganz schlimmen Fällen (nicht unbedingt selten) wurde ich direkt mit Klamotten abgeduscht und danach wurden dann die üblichen Wunden versorgt und desinfiziert.
Meine Mutter hatte mit Mitte dreißig nur einen wirklich großen Wunsch: Sie wollte einmal ihre jüngste Tochter mit heilen Knien sehen!
PHA! Mädchenkram!
Irgendwann hatte sie dann aber wohl genug davon und schleppte mich in Münsters größtes Lederfachgeschäft (Harenberg, richtig groß, richtig teuer) und stellte mich dort einer etwas verblüfften Verkäuferin mitten auf die Ladentheke und erklärte wutschnaubend: "Für dieses Wesen möchte ich bitte eine krachtenlederne Hose, die über die Knie geht und das so schnell wie möglich, egal, was das kostet!"
Danach waren meine Knie nicht mehr ganz so häufig blutig, aber ein Mädchen wurde trotzdem erst sehr viel später aus mir.
Ich war ein besonders interessiertes und ebenso motiviertes Kind und meine Mutter mit Mitte dreißig komplett grau (Sie behauptet natürlich, es habe da einen Zusammenhang gegeben, das streite ich aber entschieden ab!).
Solange meine Mutter mich hören und/oder sehen konnte, war fast alles in Ordnung, aber wehe, sie hörte oder sah länger als 10 Minuten nichts von mir, sofort witterte sie Unheil (womit sie so ziemlich immer genau richtig lag).
Irgendwann fing das an, mir etwas auf die Nerven zu gehen und echt lästig zu werden, es musste also ein gescheite Strategie her.
Meine Großmutter erzählte mir immer was vom lieben Gott, las mir stundenlang aus der Bibel vor und schleppte mich in die Kirche, wo ich immer andächtig still sein sollte. Zu irgendwas musste das doch gut sein und schließlich zahlte sich das doch noch aus: Ich richtete mich häuslich im vorderen Wohnzimmer hinter der einen Couch ein (sie stand quer vor einer Ecke, dahinter war also etwas Platz) und wartete. Still natürlich.
Ein paar Minuten später tauchte natürlich meine Mutter auf, der diese Stille unheilvoll laut dröhnte und fragte, was ich da denn bitte mache?
"Stör mich bitte nicht, ich unterhalte mich mit dem lieben Gott!" erklärte ich ihr und tief beeindruckt ging sie wieder.
Leider hat das nicht sehr lange gehalten, denn beim nächsten Hausputz fand sie heraus, was für hübsche Handabdrücke ich mit dem grünen Pril an die Tapete hinter dem Sofa machen konnte ...
Als ich ... hm ... keine Ahnung, wie alt ich war ... also jedenfalls noch ziemlich klein ... bekam ich von meiner Tante einen Teddy. Es muß Weihnachten gewesen sein, denn am gleichen Tag bekam auch meine Schwester von besagter Tante einen Teddy.
Meine Mutter erklärte mir, dass ich mir einen Namen für diesen Teddy ausdenken müsse und diese Entscheidung wohlüberlegt sein müsse, denn Teddy werde diesen Namen für immer tragen, es sollte also ein ganz besonderer Name sein.
Meine Schwester war schnell fertig mit der Aufgabe und fortan hieß ihr Teddy "Susi", derweil ich für den Rest des Tages verschwunden und wohl angenehm still war. Meine Mutter erzählt noch heute, dass ich stundenlang mit hochkonzentriertem Gesich vor meinem Teddy saß und ganz offensichtlich schwer zu denken hatte und erst zum Abendessen wieder auftauchte und stolz verkündete, ich habe jetzt den passenden Namen für meinen Teddy:
Da ich von meiner Mutter frühzeitig darüber informiert worden war, dass ich etwas ganz Besonderes bin, gab es letztlich überhaupt nur einen einzigen Namen, der für meinen Teddy in Frage kam, der ja unzweifelhaft auch etwas ganz Besonders war: Stefanie!
Mein Teddy hieß also Stefanie und wir waren ein prima Gespann, nur der Teddy etwas sehr still, nachdem ich ihm ein Vollbad verpaßt hatte: Eine halbe Trommel Waschpulver auf ein Handwaschbecken voll Wasser. Stefanie konnte danach zwar nicht mehr blöken, wenn man ihr auf den Bauch drückte, aber sie roch noch jahrelang aprilfrisch.