Man mag es kaum glauben, aber ich hatte eine schwere Kindheit!
Naja, nicht durchgehend, aber der Teil mit meiner Schwester war schon ziemlich anstrengend.
Die ersten Jahre hatte ich sie kaum wahrgenommen, da sie ja dauernd mit
Mädchenkram beschäftigt war, danach fand ich sie die nächsten Jahre
schlicht doof.
Sie hingegen fand mich lästig, denn dauernd sollte
sie auf mich aufpassen, was vermutlich keine wirklich leichte Aufgabe
war, denn erstens war ich nie da, wo ich sein sollte und zweitens machte
ich da wo ich nicht sein sollte garantiert Sachen, die ich auf keinen
Fall machen sollte.
Irgendwann verdarb Geld unser beider
Charakter. Meine Schwester brauchte mehr davon als sie hatte (sie war
inzwischen in der Barbiepuppen-Phase angekommen und der Krempel von
Martell kostete Unsummen), ich kletterte immer noch in Bäumen rum und
das kostete nichts (naja, wenn man mal davon absieht, dass es meine
Mutter ziemlich Nerven gekostet hat) und so war ich ziemlich bald sowas
wie reich.
Wir bekamen beide Taschengeld und zeitgleich feste
Aufgaben (es gibt nichts umsonst, man muß sich alles verdienen!) und
darüber hinaus gab es eine reichhaltige Liste mit Aufgaben, mit denen
man sein "Einkommen" aufbessern konnte (Schuhe putzen -nicht die
eigenen!- brachte 50 Pfennig, Knopf an Vatis Hemd annähen 1 Mark, Knopf
an Bettwäsche annähnen 50 Pfennig, Handtücher zusammenlegen pro Wäschekorb 1 Mark, ...).
Die
festen Aufgaben wechselten wochenweise (Spülen oder Abtrocknen,
Mülleimer rausbringen oder Flaschen wegbringen,...) und erfreuten sich
unterschiedlichem Unbeliebtheitsgrad (Spülen war eindeutig beliebter als
Abtrocknen, beides irgendwie ziemlich blöd und vermutlich nur
pädagogisch wertvoll, wir hatten nämlich eine Spülmaschine, nach dem
Abendessen wurde aber von den Kindern abgewaschen und abgetrocknet) und meine Schwester
verstand es, regelmäßig die beliebteren Dinge zu tun, wahlweise mir
alles zu überlassen, derweil ich ihr mein Taschengeld überlassen durfte.
Tat ich das nicht, drohte sie mir an, unserer Mutter zu erzählen, ich
habe dieses oder jenes angestellt und mein Einwand, dass das ja gelogen
wäre, beeindruckte sie wenig "Mama glaubt mir sowieso mehr als Dir, Du
stellt ja sowieso ständig irgendwas an!" womit sie nicht ganz unrecht
hatte und ich annahm, dass das funktionieren könnte.
Auf Dauer gefiel mir das aber nicht und eines Tages stand sie wieder vor mir und verlangte mein Taschengeld.
Das wäre ja noch fast in Ordnung gewesen, denn Geld interessierte mich
nicht, was mich aber zunehmend störte, war ihr hämisches "Heul doch,
heul doch!", womit klar war, mit Mitleid war da nicht zu rechnen und das würde wohl für immer so bleiben. Was blieb mir also?
Ich
holte weit aus und verpaßte meiner Schwester eine schallende Ohrfeige,
die so perplex war, dass sie schlagartig still war, wärend ich ziemlich
überrascht feststellte, dass das ein ziemlich gutes Gefühl gewesen war
und so holte ich nochmal aus und knallte ihr noch eine.
Damit war
die Sache dann ein für alle mal geregelt und im weiteren Verlauf unserer
frühen Kindheit wechselten die festen Aufgaben wieder regelmäßig, ich
häufte ein kleines Vermögen an (ich hatte immer noch so recht keine
Verwendung für Taschengeld) und wenn ich wirklich nicht mehr wußte,
wohin damit, kaufte ich für meine Schwester ein Barbie-Kleidchen, die
sich riesig freute.
An sich hatte sich damit zwar an der
endgültigen Verwendung meines Taschengeldes nicht sonderlich viel
geändert, jetzt tat ich das aber freiwillig, zu einem Zeitpunkt, den ich
bestimmte und statt mich zu unterdrücken, liebte meine Schwester mich
heiß und innig. An zwei Sachen davon hat sich bis heute nichts geändert:
Ich reagiere ausgesprochen heftig und mit extremem Wiederstand auf
Druck und meine Schwester liebt mich immer noch heiß und innig.
Wie ich finde, ein ziemlich guter Deal für das bischen Taschengeld.