Mit Sondergenehmigung zum Abi
Schule machte immer noch Spaß, nur fehlte mir zunehmend die Zeit dafür, was daran lag, dass ich herausgefunden hatte, dass es sowas wie ein Berufsleben gab, wo man auch viel Spaß haben konnte und dafür sogar noch Geld bekam.
Durch phantasievolle Verkettung mehrerer Verträge über Aushilfsjobs, hatte ich durch das Mövenpick-Hotel Münster ein durchschnittliches, monatliches Einkommen von deutlich über 1.000 DM und turnte fröhlich durch sechs verschiedene Abteilungen als Aushilfe. Nicht schlecht als Taschengeld, noch dazu bekam ich ja von Zuhause auch noch ein Taschengeld, wobei ich mich immer fragte, wozu das gut sein sollte, wurden doch alle meine Kosten -einschließlich Auto, Benzin, Steuer, Versicherung und was man sonst an Autokosten hat- von meiner Mutter getragen.
Wenn meine Lehrer mich wirklich mal dringend sehen wollten, kamen sie ins Mövenpick und informierten mich rechtzeitig über anstehende schriftliche Prüfungen oder übergaben mir die Themen für ein Referat, das ich zu halten hatte, zu denen ich auch immer pünktlich erschien.
Alles in allem eine gelungene Vereinbarung, die direkt vor dem Abitur knallhart schief ging:
Kurz vor Weihnachten hatte ich einen schweren Verkehrsunfall (natürlich auf dem Weg zum Mövenpick) und lag ziemlich lange auf der Intensivstation wegen schwerer Kopfverletzungen, an denen zu sterben ich mich hartnäckig weigerte.
Kaum war ich endlich von der Intensivstation, besuchte mich mein Konrektor im Krankenhaus, um mir meine weiteren Alternativen aufzuzeigen und um eine Entscheidung zu bitten. Um einen Kurs fürs Abi angerechnet zu bekommen, musste man eine bestimmte Anzahl der gegebenen(!!!) Stunden anwesend gewesen sein, waren das weniger als 75%, war eine Prüfung fällig, ab nur 50% wurde der Kurs nicht angerechnet. Während ich im Krankenhaus rumgetrödelt hatte, hatte ich die Vorklausuren verpasst und lag in allen Kursen bei deutlich unter 50% und hatte damit keine Zulassung zum Abitur. Blöd irgendwie!
Mein Konrektor erklärte mir, dass es meinetwegen eine Lehrerkonferenz mit anschließender Anfrage beim Kultusminister gegeben hatte und ich konnte mir jetzt aussuchen, ob ich ein Jahr später mein Abi machen wollte, oder mit Sondergenehmigung vom Kultusminister dieses Jahr, dann aber in jedem Fach eine Prüfung ablegen musste plus Nachschreiben der Vorklausuren.
Zeit ist Geld, also entschied ich mich für dieses Jahr und als ich dann endlich wieder in der Schule war, bekam ich einen Plan, wann wo welche Prüfung zu absolvieren war. Da das pro Woche bis zu fünf Prüfungen waren, hielt ich mich nicht weiter mit Lernen auf (war ja sowieso noch nie mein Ding gewesen) und ging am Ende nur noch mit der Frage "Mündlich oder schriftlich und welches Fach?" in meine Prüfungen.
Verdient hatte ich das sicher nicht, aber ich machte mein Abitur dann doch in dem Jahr, wenn auch nicht mit den Noten, die man von mir gewöhnt war und ganz ehrlich, mich hat nie jemand gefragt, mit welcher Note ich mein Abi gemacht hatte, gefragt wurde nur, ob ich das Ding hatte und das hatte ich, Dank sehr freundlicher Lehrer.