Diplomierte Kellerassel
Tja, da war ich also nun als frischgebackener Einkaufsleiter im oberschwäbischen Weingarten im Mövenpick Hotel Weingarten mit angrenzendem Kultur- und Kongresszentrum Weingarten (also Stadthalle und die war so groß, wie sich das anhörte).
Hinsichtlich der Veranstaltungsgrößen und entsprechender Lagerhaltung musste ich erst mal meinen Gabelstaplerführerschein machen, als einzige Frau unter lauter Oberschwaben, noch dazu an einem Samstag und ich sprach Deutsch, die anderen Oberschwäbisch. "Hanoi, wo gascht nah?" war nicht die Frage nach einer chinesischen Inselgruppe, sondern die Frage, wo ich hingehe und richtig blöd war, dass ich im Rausgehen aus jedem Geschäft mit "Adele" verabschiedet wurde, dabei heiße ich überhaupt nicht Adele, sondern Stefanie. Seltsame Leute, sehr seltsam. Aber ich bekam einen elektrischen Gabelstapler und lernte, Europlatten unfallfrei einzuparken, notfalls auch rückwärts (was verboten ist!).
Mein schweizer Direktor meinte allerdings, damit sei meine Weiterbildung nicht fertig, neben palettenweise Meersburger Bengel (ein schwäbisches Produkt, angeblich ein Rotwein, den man vermutlich nur ohne Vergiftungserscheinungen trinken kann, wenn man Eingeborener ist), sollte ich die nötige Ehrfurcht vor dem anderen Rotweinkeller haben, in dem Raritäten wie Chateau Petrus (Jahrgang vergessen) in Regalen lagen, die mit schmiedeeisernen Türen und unzähligen Vorhängeschlössern gesichert waren, eine einzelne Flasche Petrus kostete schon damals 750 DM, netto Einkaufspreis.
Ich sollte Chf de Cave werden (diplomierte Kellerassel also). Abgesehen davon, dass das sündhaft teuer war (zahlte aber die Firma), ging das über Monate, war mit diversen Weinreisen verbunden und überhaupt machte ich mir nichts aus Alkohol. Ob ich nicht einfach weiter ahnungslos bleiben und ihm die Schlüssel für die Schätze aushändigen könnte? Wäre doch irgendwie viel bequemer für alle Beteiligten. NEIN!
Na super, mit dem Thema Wein hatte man mich schon in der Ausbildung echt genervt, das gehörte aber zur Unternehmenskultur und man leistete sich ja auch die Mövenpick Kellereien, die zumindest damals eine sehr guten Ruf hatten.
Abgesehen von den Weinreisen nach Frankreich, Italien, Spanien und in die Schweiz, gab es "Lerneinheiten", die jeweils in Stuttgart stattfanden, womit ich wieder mit der Sprachbarriere konfrontiert wurde, die sprachen nämlich schwäbisch. Menno!
Die Prüfung war aber lustig, ich konnte die Prüfungskommission nämlich davon überzeugen, dass zu frischem Spargel der einzig passende Wein ein Sauternes war (an sich ein Dessertwein und neben pappsüß und dick wie Honig sündhaft teuer) und nach über einem Jahr ständigen Weingeschlabbers habe ich auf meine Prüfung mit einem Glas Bier angestoßen (tatsächlich war es sogar ein Hefeweizen, ich war ja immer noch bei den Oberschwaben).
Viel ist davon wohl nicht hängen geblieben, aber ich könnte wahrscheinlich immer noch jeden Wein einkaufen (war ja mein Job) und auch verkaufen und so ziemlich jedem Durchschnitts-Gast jeden Wein schmackhaft machen (alles eine Frage der Temperatur, über die man jeden Wein manipulieren kann). Nur um echte Weinkenner mache ich immer noch einen möglichst großen Bogen, das Gequatsche von Microklima, Bodenbeschaffenheit und Dingen wie einer ganz feinen Petroleumnote geht mir immer noch unsäglich auf die Nerven.
Trackbacks
Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.
Kommentare
Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt