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Der Preis der Verschnaufpause

Aus irgend welchen Gründen mochte mein Direktor mich und so durchlief ich während meiner Ausbildung mehr Abteilungen als von der IHK vorgesehen, aktuell war es der Einkauf.

Theo hatte inzwischen alle seine Mitarbeiter kennen gelernt und nur wenige mochten ihn. Die letzten zehn Jahre war er in Caracas gewesen und hatte von dort mitgebracht, dass man Mitarbeiter regelmäßig anschreien muss, damit die nicht ständig irgendwo faul in der Sonne lagen und pennten.

Ich hatte mehrfach versucht, ihm zu erklären, dass das in unseren Breitengraden nicht nötig sei, schon darum nicht, weil hier nicht ganzjährig die Sonne vom Himmel knallte, aber es blieb dabei: Der erste, der das Pech hatte, Theo morgens über den Weg zu laufen, wurde erst mal angebrüllt.

Die Stimmung war eindeutig auf dem Tiefpunkt.

Ein bis zweimal pro Tag stürmte Theo ins Einkaufsbüro (das alleine war schon recht sportlich, das Einkaufsbüro war so klein wie ein Schuhkarton), ließ sich auf dem zweiten Stuhl hinter mir fallen, holte tief Luft und lies sich zusammensacken. Dann rauchte er eine Zigarette, holte nochmal tief Luft, richtete sich wieder auf und ging wieder.

Anfangs hatte ich noch gedacht, dass ich mich mit ihm unterhalten müsse, das war aber nicht nötig, für ihn war das der Ort, an dem er sich sicher fühlte, wo er kurz verschnaufen konnte, um sich dann wieder auf das Schlachtfeld zu begeben. Wegen unseres ersten Zusammentreffen war er der Meinung, ich sei der einzige Mensch seiner 120 Mitarbeiter, der es gut mit ihm meint und so, wie er sich benahm, hatte er damit nicht ganz Unrecht.

Soweit ja irgendwie schmeichelhaft, für mich aber teuer, denn oft war es meine Zigarette, die er da rauchte, womit ich auch noch hätte leben können, nur steckte Theo nicht selten meine Schachtel ein, bevor er wieder ging.

Auch wenn das offensichtlich keine böse Absicht war, ging das auf Dauer doch ins Geld und nach der fünften Schachtel wartete ich drei Minuten ab und rief ihn in seinem Büro an, wo er sich in seiner üblichen, wenig freundlichen Art knapp am Telefon meldete und fragte ihn, ob er bitte mal in seine rechte Jackentasche gucken könne und mir sagen, was er da drin hat. Theo kannte mich und meine komischen Fragen inzwischen gut genug, um entschieden zu haben, dass es besser sei, sie zu beantworten und meldete "Eine Schachtel Zigaretten". Dann bat ich ihn, das mit der anderen Jackentasche zu wiederholen und staunend erklärte er "Noch eine Schachtel Zigaretten!"

"Prima" sagte ich, "Das ist nämlich meine und die hätte ich gerne wieder zurück oder eine Lohnerhöhung, das ist jetzt nämlich schon die fünfte Schachtel und ich bin hier nur Azubi, nicht Krösus!"

Theo kam umgehend zurück, brachte mir meine Zigaretten zurück und zeigte mir bedauernd sein wirklich komplett leeres Portemonnaie, entschuldigte sich und versprach, das wieder gut zu machen allerdings nicht mehr heute (siehe leeres Portemonnaie).

Am nächsten Tag bekam ich mit dem knappen Kommentar "Anzahlung" eine neue Schachtel Zigaretten und von da ab jede Woche eine und er gewöhnte sich an, jedes Mal, bevor er mein Büro wieder verließ, seine Taschen abzuklopfen und zu prüfen, ob nicht wieder meine Zigaretten eingesteckt hatte.

Er brüllte zwar noch immer jeden Morgen den ersten an, aber jetzt wusste ich immerhin, dass er lernfähig war und das mit dem Rumbrüllen haben wir dann auch irgendwann noch weg bekommen. Hat aber echt gedauert!

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