Skip to content

Der seltsame Humor von Ärzten

Ich finde ja immer schon, dass Ärzte einen etwas seltsamen Humor haben und vermute, dass hat etwas mit den weißen Kitteln zu tun, die sie tragen. Und ich vermute weiter, dass es kein Zufall ist, dass Metzger von alters her die gleichen, weißen Kittel tragen!

Mein Augenarzt teilte mir jedenfalls mit, dass das alles nicht so wirklich gut aussieht (nicht ohne anzumerken, dass er das jetzt aus seiner Sicht betrachtet meint, aus meiner Sicht sei ja gerade nicht sonderlich viel mit Sicht) und es eine sehr, sehr dringende Empfehlung sei, die nächsten sechs bis acht Wochen bitte nur möglichst helles Tageslicht, so wenig Lichtschwankungen wie möglich und bitte kein künstliches Licht. Man kann ja über meinen Humor sagen, was man will, aber das finde ich dann irgendwie unterhaltsam und habe wohl auch gelacht. Nachdem er sich meinen Job hat erklären lassen, zückt er seinen Krankschreibeblock und erklärt mir, dass ich die nächsten sechs Wochen auf jeden Fall daheim bleiben soll (was ich natürlich ablehne).

Ich erkläre ihm also die -wie ich finde- sehr übersichtliche Rollenverteilung zwischen Arzt und Patient:
Als Patient bringe ich die Krankheit mit und damit ist mein Part praktisch erledigt. Als Arzt sorgt er dann bitte für die Heilung und wie er das macht, geht mich nichts an, ich habe das schließlich nicht studiert. Überhaupt nicht hilfreich ist ein gelber (neuerdings wohl rosa) Zettel, auf dem steht, dass ich krank bin, das wusste ich nämlich schon, sonst wäre ich ja nicht hergekommen.

Wir "einigen" uns darauf, dass ich tue, was ich kann und lasse, was ich nicht kann und ich frage vorsichtig, wie das mit Auto fahren ist. (Aktuell ist alles, was näher ist als einen Meter wie durch ein Goldfischglas betrachtet, alles was näher als einen halben Meter ist, praktisch nicht erkennbar.)
Er fragt mich höflich, was ich für ein Auto habe, unterbricht sich dann aber und erklärt: "Egal, was für ein Auto Sie haben, alles, was beim Autofahren näher als einen halben Meter ist, befindet sich sowieso bereits auf ihrer Kühlerhaube und ist nicht mehr zu retten, Sie dürfen also fahren!"

Ich weiß noch nicht, ob er ein guter Arzt ist, aber auf jeden Fall ist er unterhaltsam.

Mikrokosmos Wartezimmer

Da sitze ich doch neulich beim Augenarzt im Wartezimmer.

Da Lesen gerade keine besonders gute Option ist, schaue ich mir die Leute an.

Ist schon mal jemandem aufgefallen, dass da irgendwie immer die gleiche Gruppe Menschen sitzt? Ich überlege kurz, ob Ärzte die irgendwo als Paket bestellen können, so ähnlich wie diesen Lesezirkel (das sind die Tratsch-Blättchen, die mir gnadenlos klarmachen, wie alt ich tatsächlich inzwischen bin: Die einzigen Namen, die ich kenne, sind die der Leute, die gestorben sind). Vermutlich wird das unter "laufende Praxis-Ausgaben" sogar von der Steuer abzusetzen sein.

Sie sind alle wieder da:
- das ältere Ehepaar, dass sich sichtlich schon lange nichts mehr zu sagen hat, aber immer noch den Schein zu wahren sucht


- die sehr modisch gekleidete junge Türkin Anfang/Mitte zwanzig mit dem immer wütenden, trotzigem Gesichtsausdruck, die man sich problemlos mit einem Messer zwischen den Zähnen vorstellen kann und bei der man sich immer unwillkürlich fragt, was man ihr getan hat


- die energische "Wartezimmer-Organisiererin" (heute etwas ungewohnt mit einer jungen Frau besetzt), die sich -ganz in ihrer Rolle aufgehend-  umgehend daran macht, jeden Patienten zu befragen, ob er einen Termin hatte und für wann (seltsam, mich hat sie ausgelassen, also zwar penetrant,  aber nicht ganz doof, es besteht also Hoffnung), um dann an den Empfang zu stürmen und dort loszubollern, dass da gerade jemand drangekommen sei,  der überhaupt keinen Termin hatte, sie aber bereits 15 Minuten wartet. Meine höfliche Frage, ob sie das irgendwas anginge, beantwortet sie nur mit  einem wütenden Blick und ich bin ziemlich sicher, da gerade jemanden getroffen zu haben, der mir ausdrücklich keine Weihnachtskarte schicken wird. Immerhin verschwindet sie wieder ins Wartezimmer und ist fortan wohltuend still. Danke!

- die Mutter mit dem wohlerzogenen Kind, das völlig friedlich sein (mitgebrachtes!) Kinderbuch liest

- der übermotivierte junge Schwätzer, der jeden neu reinkommenden Patienten über 50 direkt anfällt und seine Hilfe beim Ausfüllen des Fragebogens aufdrängt (und dabei dem Irrglauben unterliegt, alles oberhalb von 50 sei automatisch schwerhörig und geistig mindestens eingeschränkt, oder wieso brüllt er jeden an und fragt in Zeitlupe Dinge wie "WIE LANGE HABEN SIE DEN HERZSCHRITTMACHER SCHON?" oder "DIABETIS??? HABEN SIE ZUCKER? ICH KREUZE MAL NEIN AN, SIE SEHEN NICHT AUS WIE JEMAND, DER ZUCKER HAT. FALLS DOCH, MÜSSEN SIE DAS DEM ARZT SAGEN!!!!" Kann den denn nicht mal jemand abstellen?

- dann gibt es da immer einen Schweiger um die Mitte/Ende Fünfzig, der kein Wort sagt, nicht einmal hochblickt, nicht liest, einfach nur wartet

- und der jungen Mann Anfang zwanzig, der aussieht wie man sich einen Studenten vorstellt und der von dem ganzen Geschehen um ihn rum völlig unbeeindruckt ist und konzentriert irgendwas in seinen Blackberry tippt, ohne dabei nervige Pipsgeräusche von sich (oder seinem BB) zu geben

In volleren Wartezimmern trifft man oft zusätzlich auf die Gruppe von drei älteren Damen, die leider, leider keine Plätze nebeneinander gefunden haben, sich nur sehr lose kennen (vielleicht aus dem Supermarkt vom Sehen oder die andere Straßenseite, man kennt sich jedenfalls nicht mit Namen) und völlig ungehemmt quer durch das volle Wartezimmer sehr detailreich über wenig unterhaltsame Dinge wie Brustkrebs oder Hämorrieden diskutieren. Was ihnen an Diskretion fehlt, versuchen sie durch Lautstärke auszugleichen.

Hier gab es aber ein echtes Highligt, das man in freier Wildbahn leider sehr selten antrifft: Großvater mit Enkel, der Enkel die Welt erklärt:

Im Wartezimmer liegt eine schematische Darstellung des menschlichen Auges und Großvater erklärt interessiertem Enkel (etwa 5 Jahre alt):

"Die Natur hat die Augen so angeordnet, dass der Mensch nach vorne blickt.

Die Religion hat dem Menschen beigebracht, auch nach rechts und links zu blicken.

Das Leben bringt den Menschen dazu, immer wieder zurück zu blicken!"

Und als ob das an Weisheit für einen Tag nicht genug wäre, blickt Enkel den Großvater an und fragt freundlich:
"Aber fallen sie denn dann nicht vorne über die eigenen Füße?"

Wenn das die Jugend vor morgen ist, mache ich mir um die Zukunft keine Sorgen!