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Mein neues Übergangsheim

Meine Firma hatte eine Wohnung für mich angemietet, wo ich die nächsten Monate zubringen sollte, bis ich eine eigene Wohnung gefunden und meinen Umzug bewältigt habe.

Mit einer Wagenladung voller Krempel bin ich also angerückt und war begeistert, einen Aufzug vorzufinden (dritter Stock kann eine echte Herausforderung darstellen) und sah mich vorsichtig in meinem neuen Zuhause um. Ok, erst mal einen Kaffee kochen (die Küche hatte ich eher zufällig gefunden) und diverse Listen schreiben: Einkaufszettel, Listen was bei der nächsten Heimfahrt aus Kassel mitzubringen sei. Ganz oben auf der Einkaufsliste standen Nebensächlichkeiten wie ein Duschvorhang, Toilettenpapier, Küchenutensilien und vor allem ganz, ganz viel PUTZZEUG! (Wie gut, daß direkt neben meiner Filiale ein DM-Drogeriemarkt ist, ein Lidl und eine Apotheke. Alle drei Geschäfte sollte ich in naher Zukunft häufiger aufsuchen).

Nach der ersten Nacht ergänzte ich meine Einkaufsliste um eine Matraze (und wußte, wie schnell man grauenhafte Rückenschmerzen von einer viel zu weichen Matraze bekommt) und weiterer Nebensächlickeiten wie einem neuen Duschkopf. Ein paar hundert Euro und diverse Heimfahrten nach Kassel später war ich halbwegs komfortabel eingerichtet und nachdem ich auch meinen Vollautomaten nach Hannover geschleppt hatte, sah ich eine realistische Überlebenschance für mich.

Nur das Bad hasse ich mmer noch leidenschaftlich, denn wenn ich eines nicht leiden kann, dann ist das mieser Wasserdruck, der Duschen zu einer gymnastischen Übung werden läßt, wenn man von Wasserstrahl zu Wasserstrahl hüpfen muß. Wenn dann die Abläufe noch mieser sind und man bei schwachem Wasserdruck trotzdem knöchelhoch im Seifenwasser steht, dafür aber nach spätestens zwei Tagen ohne Regen bestialisch stinken, weckt das leise Hassgefühle.

Ich bin eine Druckerhöhungsanlage gewöhnt, das bedeutet in der Praxis, dass man notfalls mit dem Wasserstrahl ein Loch in die Wand bekommt! Wirklich glücklich macht die Küche mich auch nicht, denn es ist zwar ein Backofen vorhanden, nur ist der leider kaputt und jede Nacht stehe ich vor der Entscheidung, ob ich nicht schlafe kann, weil das Fenster im Schlafzimmer geschlossen ist und ich ersticke oder ob ich nicht schlafen kann, weil es offen ist und man vor Lärm kein Auge zubekommt, aber ich bin Führungskraft, da bin ich es gewöhnt, in ausweglosen Situationen Entscheidungen zu treffen und trotz aller Probleme halbwegs komfortabel zu überleben.

Ich brauche ein neues Zuhause!

Das Ende des geregelten Lebens

Zwei Jahre hatte ich es wirklich versucht: Ein geregeltes Leben!

Jede Nacht im eigenen Bettchen schlafen, jeden Morgen schon vor dem Öffnen der Augen wissen, in welcher Stadt man ist, regelmäßige Aufnahme fester Nahrung, fast regelmäßiger Schlaf, jeden Tag die gleichen Gesichter. Kurz: Grauenhafte Langeweile!

Das erste Jahr war ja soweit noch in Ordnung, es gab viel zu tun, praktisch alles neu zu organisieren. Dann gab es ein paar Rekorde zu brechen, Erfolge zu feiern und man hätte sich ein wenig auf seinen Lorbeeren ausruhen können, aber wie doof ist das denn? Der ganze Streß, um am Ende auf pieksendem Grünzeug zu pennen? Nix für mich!

Nach einem kleinen Umweg über diverse Krankenhäuser (ja, ich bin immer noch unsterblich!) traf ich dann endlich in Hannover ein. Neue Stadt, neue Filiale, neuer (aber bekannter) Chef, neues Team.

Äh .. Team? Die Filiale war zwar relativ neu, wunderhübsch, aber ich nach knapp sechs Monaten seit Bestehen schon die fünfte oder sechste Führungskraft und die Mitarbeiter waren mit ähnlicher Geschwindigkeit ausgetauscht worden, nur war man irgendwann wohl nicht mehr nachgekommen und so war das Team sehr sehr übersichtlich. Die Mehrzahl der Vollzeitkräfte (darf man bei einer stattlichen Anzahl von vier überhaupt von "Mehrzahl" reden?) war ziemlich neu, hatte schon eine Menge erlebt (vor allem Veränderungen, denn jede neue Führungskraft hat natürlich ihren eigenen Stil), deutlich verwirrt, trotzdem aber willig, fleißig und schnell zu motivieren, nur halt kaum bis überhaupt nicht organisiert, informiert oder strukturiert und so gab ich dem Projekt den Namen "Tal der Ahnngslosen".

Wenn Mitarbeiter ein Spiegel ihrer Führung sind und ich da jetzt die Führung hatte, war es Zeit, die Lappen rauszuholen und die Spiegel zu putzen bis sie glänzen und einen Vorteil hat das absolute Vollchaos: Man muß sich keine Gedanken darüber machen, wo man anfängt, denn wenn jede Veränderung eine Verbesserung ist, kann man an jeder beliebigen Ecke anfangen. Es gibt viel zu tun!