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Die Sache mit dem Vogelsand

An sich hatte ich ja nur für sechs Wochen als Eröffnungsstütze in Weingarten bleiben sollen, machte meinen Job aber wohl nicht ganz schlecht und so bot man mir den Job des Einkaufsleiters an und so blieb ich noch etwas.

Es gab allerdings nicht nur das Hotel, sondern auch die angrenzende Stadthalle und die Dimensionen, in denen ich Ware beschaffen musste, waren deutlich gestiegen. Die Führungstruppe bestand ziemlich genau zur Hälfte aus Leuten aus dem Mövenpick Hotel Münster und zur Hälfte aus Leuten aus dem frisch verkaufen Mövenpick Hotel Trier. Soweit alles in Ordnung und wir hatten neben viel Arbeit auch viel Spaß, nur der Viezedirektor (Trier) lag mir echt quer, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, wäre er nicht außerdem Bankettleiter gewesen (womit ich zwangsläufig viel mit ihm zu tun hatte) und das der Mann war, über den mein Direktor ja behauptet hatte, dass er der beste Einkaufsleiter sei, den es jemals im Unternehmen gegeben hatte und ich eine Menge von ihm lernen könne. Ok, ok, er war wirklich gut, aber er wusste es auch und was mich richtig ärgerte, war die Tatsache, dass er regelmäßig alles mit meinem Assistenten verhandelte (aus Trier, war ja irgendwie klar) und mich ignorierte. MICH!

Wahlweise forderte er lässig Sachen direkt bei mir an, von denen er wusste, dass es eines mittleren Wunders bedurfte, um die in der Menge, Ausführung oder dem Zeitraum zu beschaffen. Ich konnte den Kerl nicht ausstehen!

Das wurde nicht besser, als er eine Lageranforderung über 50 Kilo Vogelsand schrieb, führte aber dazu, dass ich ernsthaft an seinem Geisteszustand zweifelte. Was zum Donner wollte der Mann mit 50 Kilo Vogelsand und wo bitte sollte ich die bekommen? Weingarten beginnt auf der Rückseite des Ortsausgangsschildes von Ravensburg, ist tiefste Provinz und außer einer weltberühmten Basilika, dem neu eröffneten Mövenpick und echt viel Gegend gab es da nichts, dafür hingen überall Plakate "Was ist das Beste an Weingarten? KEIN McDonalds!" und das meinten die total ernst. Provinz halt, noch dazu Oberschwäbische!

Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass der Mann ein 7-Gang-Menü für 800 Menschen verkauft hatte und der Veranstalter sich nicht an das Vorurteil des geizigen Schwabens gehalten hatte. Üblicherweise gibt es bei sowas fünf Menüvorschläge, bei dem man ziemlich sicher davon ausgehen kann, dass der günstigste und der teuerste nicht genommen werden und so hatten er und der Küchenchef (Münster) beim teuersten Vorschlag beim Dessert keine Lust mehr und boten als Dessert "Wüstensturm" an, ohne eine Ahnung zu haben, was das sein könnte, kostete aber 15 DM. Dummerweise nahm der Veranstalter den teuersten Vorschlag, also musste man klären, was denn jetzt "Wüstensturm" sein könnte: Ein großer Teller im Dekor "Indian Tree, Fahne light" (die ich natürlich auch in ausreichender Menge zu besorgen hatte), auf den Vogelsand in größerer Menge gestreut wurde. In den Sand wurden Mini-Kakteen gesetzt (am Teller durch unseren Blumenlieferanten mit einer Heißklebepistole festgeklebt), dazu ein paar Lametta-Palmen (Deko für Eisbecher) und der Rest war dann ein Glasschälchen mit einer Kugel Vanilleeis mit Roter Grütze.

Vogelsand, ja? Der Mann hatte doch echt Probleme, ach nee, die hatte ich ja jetzt. Na dann wollten wir doch mal sehen, wer zuletzt lacht, also fuhr ich zum nächsten Baustoffgroßhändler (nein, einfache Baumärkte gab es da nicht) und kaufte einen 50-Kilo-Sack feinen, weißen Quarzsand, den ich mitten in seinem Büro abstellen ließ (von seinem Kumpel, bzw. meinem Assistenten).

Der Mann, den ich nicht mochte und der mir jegliche Anerkennung hartnäckig verweigerte, zeigte sich zum ersten Mal beeindruckt, mein weißer Quarzsand war nämlich nicht nur sehr viel günstiger als sein doofer Vogelsand, er sah auch deutlich besser aus als sein grobkörniger Vogelsand.

Als ich dann nach der Veranstaltung (die übrigens ein riesiger Erfolg war und damit der Anfang sehr vieler, sehr großer Veranstaltungen), den Sand wieder einsammeln ließ und zum fünffachen des Preises an die Stadt Weingarten als Sand für Standascher verkaufte, hatte ich gewonnen: Er ließ mich dreimal langsam seinen Namen sagen (der ein echter Zungenbrecher war) und erklärte mir dann, sein Name sei Günther und ich echt genial.

Geht doch und wir haben noch so manche Riesen-Veranstaltung gemeinsam gemeistert.

Als er dann nach Kassel ging, um dort das Schlosshotel Wilhelmshöhe als Direktor zu übernehmen, rief er nach sechs Wochen meinen Direktor an mit den Worten: "Ich komme hier nicht klar, ich brauche Kruse!", was mir in der Folge fast zehn Jahre in selbigem Hotel einbrachte und enge Beziehungen zur Spielbank Kassel, die bei uns Untermieter war und mit denen ich ähnliche Geschäfte machte, wie mit der Stadt Weingarten g

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