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Wie ich lesen und schreiben gelernt habe

... und warum ich mich über den inflationären Gebrauch des Wortes "Motivation" ärgere.

Da meine Schwester fast zwei Jahre älter ist als ich, hatte sie schon einen ernsten Job (die Schule), während ich immer noch im Sandkasten (Kindergarten) hockte und ich beneidete sie glühend. Sie lernte jeden Tag spannende Sachen und hatte so aufregende Herausforderungen wie Hausaufgaben zu bewältigen, während mir immer noch jeden Abend die Taschen nach Fröschen, Schnecken und Käfern umgedreht wurden und meine Mutter sich langsam an den Gedanken gewöhnte, dass aus mir vermutlich niemals eine junge Dame werden würde. Vielleicht aber, so hoffte sie im Stillen, würde aus mir wenigstens eine kluge junge ... hm ... Person werden (das mit der "Dame" war wirklich sehr unwahrscheinlich)?

Eines Tages kam sie mit zwei dicken Mappen heim, die eine feuerrot eingebunden, die andere dunkelblau. Neugierig fragte ich, was das denn sei und sie erklärte mir, dass diese Mappen für mich wären, allerdings noch nicht jetzt, denn ich könne bestimmt noch nichts damit anfangen.

Nanu? Also das wollte ich natürlich genauer wissen und so löcherte ich sie so lange, bis sie mir schließlich die Mappen zeigte und mir erklärte, dass das rote eine Rechenfibel und das blaue eine Lesefibel sei, ich damit aber bestimmt noch nichts anfangen könne, bevor ich in die Schule käme, denn damit müsse man lernen und Aufgaben machen und ich würde bestimmt lieber den ganzen Tag spielen statt so langweilige Sachen zu machen.

Lernen? Hausaufgaben? Na und ob ich das wollte! Sofort und auf der Stelle und so dringend wie überhaupt nichts, das ich jemals gewollt hatte!

Meine Mutter ließ mich zwei Tage betteln und schmoren, bevor sie sich endlich "breitschlagen" ließ, mit mir zusammen die beiden Fibeln zu bearbeiten und so lernte ich Lesen, Schreiben und Rechnen lange bevor ich in die Schule kam und das noch mit einer Begeisterung, die kaum Grenzen kannte.

Viele Jahre später haben wir uns mal darüber unterhalten und meine Mutter erzählte, dass sie genau das hatte bewirken wollen: Dass ihre Tochter mit Begeisterung und hochmotiviert lernt, dass sie sich aber durchaus bewußt gewesen war, dass Motivation nur greift, wenn sie auf den nötigen Ehrgeiz trifft und das richtige Thema zum richtigen Zeitpunkt gewählt wird.

Was meine Mutter schon vor Jahrzehnten wußte und erfolgreich anzuwenden verstand, scheint heutzutage verloren gegangen zu sein:
Heute redet man über Motivation, als sei das etwas, das man beliebig mit der Gießkanne über Mitarbeiter auschütten könne und dann funktionieren muß. Funktioniert das nicht, ist man frustriert. Motivation ist aber keine eindimensionale Angelegenheit, Motivation greift auch heute nur, wenn es das richtige Thema ist, zum richtigen Zeitpunkt und wenn sie auf Ehrgeiz trifft und überhaupt noch nie hat der Anspruch "Motivier' mich mal" funktioniert.

Das Leben ist ziemlich einfach, wenn man mal das ganze Bromborium wegläßt und statt "mit dem Blick auf das Große" die Dinge in ihrer Winzigkeit betrachtet.

Die Sache mit dem Schule schwänzen

Natürlich hatte Silvia Koch einen schlechten Einfluß auf mich und bald begann ich, die Schule zu schwänzen, Silvia ging da nämlich nicht gerne hin, weil die Seidenblüschen sie alle nicht leiden konnten und sie die Lehrer nicht, die das mit schlechten Noten honorierten.

Irgendwann wurde das aber problematisch, denn wo sollte ich die Entschuldigungen für die Schule herbekommen? Tja, Schreiben konnte ich ja, also schrieb ich die selber, war aber wohl ein grottenschlechter Urkundenfälscher und so bekam meine Mutter recht bald eine Einladung in die Schule, wo man ihr meine Fälschungen vorlegte. Meine Mutter sah sich das an und erklärte, dass sie nicht wisse, wozu man sie hergebeten habe, es war ja bekannt, dass ich schon immer meine Entschuldigungen selber schrieb, schließlich hatte ich ja gefehlt und nicht sie und sie das dann nur unterschriebe.

Ja, das wußte man, aber das wäre doch überhaupt nicht ihre Unterschrift!

"Aber natürlich ist das meine Unterschrift!" erklärte sie, "Meine Tochter legt mir das morgens hin und da schlafe ich manchmal noch, darum ist das manchmal etwas krakelig. Wer sollte das denn wohl sonst unterschrieben haben?!"

Damit war die Sache erledigt, zumindest der öffentliche Teil. Ich bekam Zuhause eine Standpauke, die sich gewaschen hatte, eine Woche Hausarrest und einen Monat kostenloses Bettwäsche-Knöpfe-Annähen aufgebrummt.(Der letzte Teil war nicht wirklich dramatisch, wir hatten eine Wäschefrau, die für Knöpfe zuständig war und das sehr zuverlässig erledigte. Als Lohn reichte ihr mein Lächeln und dass sie mir eine Freude machen konnte.)

Zusätzlich bekam ich die Erklärung, dass man Menschen, die einem nahestehen, nicht ausliefert, sondern solche Dinge (soweit sie nicht wirklich gravierend waren und niemand geschädigt worden war) unter vier Augen regelt.

Ich halte das heute noch so (nein, ich fälsche keine Unterschriften mehr) und finde es vollkommen daneben, Menschen vor versammelter Truppe zu maßregeln oder zu bestrafen, was nicht bedeutet, dass sie nicht bestraft werden und alles ok ist.

Ich habe danach übrigens nie wieder Schule geschwänzt, oder jedenfalls fast nie und wenn, überhaupt nur mit Einverständnis meiner Mutter, die mir einen faulen Tag durchaus mal gönnte und den dann auch mit mir zusammen verbrachte. Wir hatten ziemlich viel Spaß an solchen Tagen.

Erste Kontakte mit sozialen Rändern

Endlich war ich in der Schule und gleich gingen die Probleme los!

Während bis dahin mein soziales Umfeld ausgesprochen wohlgeordnet war, ich kam schließlich aus sehr, sehr gutem Hause, wurde das nun etwas gemischter.

Als "höhere Tochter" war ich selbstverständlich in der damals besten Privatklinik der Stadt zur Welt gekommen, um später im besten Kindergarten der Stadt unter ebenso strenger wie kluger und gütiger Aufsicht von Nonnen erste soziale Kontakte zu pflegen. Jetzt, in der Schule, war das schon etwas (wenn auch wirklich nur etwas) anders: Die Mehrzahl der Kinder kam zwar ebenfalls aus sehr guten Familien, aber es gab auch ein paar wenige Ausnahmen. Eine davon war Silvia Koch!

Silvia stammte eindeutig aus asozialen Verhältnissen: Der arbeitslose Vater war annähernd ständig betrunken, der jugendliche Bruder mindestens mal halbkriminell (die Polizei war häufiger, wenn auch nicht gern gesehener Gast bei Familie Koch), die Mutter rannte mittags noch halbnackt in schwarzen Strapsen und BH durch eine Wohnung, die sich nur mit dem Begriff "Saustall" halbwegs zutreffend beschreiben läßt. Zwischen all den wohlerzogenen Mädchen in weißen Kniestrümpfen, sauber gekämmten Pferdeschwänzen und frisch gebügelten Spitzenblüschen war Silvia mit ihren abgebrochenen Schneidezähnen, den schmuddeligen Anziehsachen und irgendwie nie richtig sauber, ein absoluter Außenseiter. Sie hatte zwar eine Kodderschnautze und alle hatten Angst vor ihr, weil Gewalt das einzige Ausdrucksmittel war, das sie kannte und beherrschte, ganz innen drin hatte sie aber den glühenden Wunsch, dazu zu gehören. Natürlich völlig hoffnungslos, denn die Seidenblüschen würden sie nie mitspielen lassen.

Mit mir hätten die zwar gerne gespielt, nur fand ich das alles langweilig und am liebsten spielte ich mit den Jungs Fußball (ich war das einzige Mädchen, dass bei den Jungs mitspielen durfte!). Da war Silvia schon viel interessanter und so freundete ich mich mit ihr an.

Das beunruhigte dann allerdings meine Lehrer, was mir reichlich egal war und so wurde ich eines Tages zum Rektor zitiert. Auf dem Weg in sein Büro ging ich schnell im Kopf meine aktuellen Missetaten durch, fand auf die Schnelle aber nichts, was eine Vorladung beim Rektor gerechtfertigt hätte, also sparte ich mir jedes Schuldbewußtsein und wartete erst mal ab.

Der Rektor hielt mir einen langen und genauso ernsten Vortrag über soziale Unterschiede, der schließlich mit der klaren Feststellung endete, dass Silvia Koch kein geeigneter Umgang für mich sei.

Aha?

Da ich die Hälfte von dem, was der Rektor mir erzählt hatte, sowieso nicht verstanden hatte, ging ich nach der Schule ausnahmsweise mal direkt nach Hause (üblicherweise war mit mir erst bei Einbruch der Dunkelheit zu rechnen und "Mittagessen" war eine Veranstaltung die ich mehr vom Hörensagen als aus der Praxis kannte) und erzählte das alles meiner Mutter, die am nächsten Morgen postwendend mit mir an der Hand beim Rektor erschien.

Meine Mutter ließ sich vom Rektor das Gespräch nochmal wiedergeben, holte ziemlich tief Luft und sagte zum Rektor: "Meine Tochter hat Ihnen dazu etwas zu sagen. Gestern ist sie nicht dazu gekommen, darum bin ich heute dabei!" und blickte mich aufmunternd und irgendwie auch erwartungsvoll an.

Das mit dem "tief Luft holen" fand ich irgendwie beeindruckend, also holte ich auch tief Luft und erklärte: "Ich suche mir meine Freunde alleine aus!"

Meine Mutter nickte einen kurzen Gruß in Richtung Rektor, nahm meine Hand und wir gingen. Erst viel später habe ich erfahren, dass sie dem Rektor noch versprochen hatte, das gerne mit dem Schulrat zu besprechen, falls mein Rektor mit meiner Entscheidung Probleme haben sollte.

Bis heute hat sich an meiner Haltung übrigens nichts geändert und ich reagiere hochgradig allergisch, wenn jemand versucht, mir vorzuschreiben, mit wem ich befreundet zu sein habe.

Mein Wille geschehe!

Es gibt eine ganze Menge Menschen, die behaupten, ich sei eigenwillig und sie haben einfach nur Recht!

Schon früh hatte man mir beigebracht, dass es gesellschaftliche Konventionen gab, Anforderungen, die "man" an mich stellen würde (die Zusatzfrage, wer "man" denn überhaupt sei), Erwartungen und Pflichten, die mir von außen auferlegt wurden.

Gleichzeitig wurde mir beigebracht, dass ich einen freien Willen habe und es ganz alleine meine Entscheidung sei, wie weit ich diesen Anforderungen nachgebe und diese Entscheidung sei jeden Tag neu zu treffen.

Prima Sache, die nur einen klitzekleinen Haken hatte: Ich sollte mir immer darüber im Klaren sein, welche Konsequenzen das haben würde, die gestellten Anforderungen nicht zu erfüllen und jederzeit bereit sein, die Konsequenzen dafür zu tragen.

Und noch etwas brachte man mir bei: Es gab immer einen leichten und einen schweren Weg. Sobald ich mich damit auseinandergesetzt und meine Entscheidung getroffen hatten, gab es noch etwas: MEINEN Weg!

Leicht ist das nicht, aber ich gehe ihn immer noch und rechne nicht damit, dass sich daran noch was ändern wird.

Zerstörter Kinderglaube

Bis ich in den Kindergarten kam, glaubte ich nicht nur, dass Erwachsene das sind, woran man fest glauben und woran man sich orientieren kann, nein, ich wußte es! Und ich glaube, bis dahin war ich auch ziemlich naiv.

Jede Woche waren pro Kind im Kindergarten 5 DM für Mittagessen zu bezahlen und da meine Mutter wußte, dass ich immer ziemlich beschäftigt mit meiner eigenen Welt war, gab sie meine 5 DM lieber meiner Schwester, die war nämlich immer artig und tat, was man ihr sagte.
Eines Tages aber übergab sie mir die heiligen 5 DM und gab mir den Auftrag, gut darauf aufzupassen und sie Schwester Tadea (das war die leitende Nonne im Kindergarten und zu der Zeit die zweitwichtigste Instanz in meinem Leben -direkt nach meiner Mutter also) zu übergeben. Es folgte noch die Erklärung, was Verantwortung sei und so trug ich also beides zum Kindergarten: Die 5 DM und die Verantwortung dafür.

Vermutlich wäre nichts passiert, wenn nicht ausgerechnet an dem Tag Schwester Tadea einen Termin gehabt hätte und erst später gekommen wäre, denn so konnte ich mich meiner Verantwortung nicht schnell entledigen und trug den halben Vormittag ziemlich schwer daran. Meine Kindergartentante hatte ich natürlich sofort über diese wichtige Aufgabe informiert und auch sie bestätigte, dass ich gut aufpassen müsse!

Etwa zwei Stunden später (Schwester Tadea war immer noch nicht da), sagte meine Kindergartentante, ich solle ihr doch bitte mal meine 5 DM geben, was ich natürlich tat. Sie war den Vormittag damit beschäftigt gewesen, aus einer Kokosnuß ein Sparschwein zu machen. Da sollten Spenden für die armen Kinder in Afrika rein und sie mühte sich mit dem Schlitz ab. Ausführlich hatte sie uns erklärt, wie es den Kindern in Afrika geht, dass sie hungen müssen und dass Spenden etwas sei, das ebenso löblich wie freiwillig sei.

Und dann passierte das Furchtbare: Meine Kindergartentante stecke meine 5 DM in diese Spenden-Kokosnuß!

Von wegen freiwillig, von wegen vertrauensvolle Kindergartentante! Die kassierte erst meine 5 DM, dann das Lob für die Spende und ich würde die Probleme haben, denn wie sollte ich denn jetzt erklären, wo die 5 DM geblieben waren? Ich hatte die abgeben, nicht spenden sollen!

Ich brach in Tränen aus und war nicht zu beruhigen, bis Schwester Tadea eintraf, die mich sofort auf den Arm nahm und sich erzählen ließ, was denn passiert sei. Schluchzend erzählte ich ihr, wie das mit der Verantwortung und dem Spenden gewesen sei und meine Mutter jetzt bestimmt furchtbar enttäuscht sei und überhaupt, dass ich nie, nie wieder mit dieser Kindergartentante reden wollte.

Die Kindergartentante versucht, das alles zu erklären und zeigte mir meine 5 DM, sie habe doch nur probieren wollen, ob der Schlitz groß genug sei und das Sparschwein doch unten noch offen sei, es wäre also überhaupt nichts passiert und das täte ihr auch alles sehr leid, aber es half nichts, denn dann machte sie gleich den nächsten Fehler: Sie nahm meine 5 DM und gab sie Schwester Tadea, dabei war das doch meine und nur meine Aufgabe.

Schwester Tadea erkannte das sofort, gab ihr das Geldstück zurück und erklärte, das gehöre ja wohl mir, also müsse sie es mir zurückgeben und dann endlich konnte ich die heiligen 5 DM an Schwester Tadea übergeben und die Welt war soweit erst mal wieder in Ordnung.

Nur das mit der Kindergartentante kam nie wieder in Ordnung, denn fortan weigerte ich mich, auch nur ein einziges Wort mit ihr zu reden und nach drei -sehr schweigsamen- Wochen entschied Schwester Tadea schließlich, dass ich in eine andere Kindergartengruppe zu einer anderen Kindergartentante kam.

Bis heute habe ich zwar ein recht lässiges Verhältnis zu eigenem Geld, bin aber ausgesprochen pingelig mit fremdem Geld und dafür sollte ich ihr vielleicht dankbar sein, aber ich kann sie immer noch nicht leiden und daran wird sich nie, niemals etwas ändern!

Gut gemeint ist nicht automatisch auch gut gemacht

Meine Großmutter war schon eine beeindruckende Frau.

Ursprünglich Wienerin (was etwas völlig anderes ist als etwa "Österreicherin", wie ich früh lernte, wobei mir nie klar war, wo da jetzt der Unterschied ist), war sie als Architektin nach Deutschland gekommen und zu ihrer Zeit eine recht bekannte Künstlerin, die auch im Ausland große Ausstellungen hatte, was für eine Frau schon ziemlich beeindruckend war.

Sehr früh stellte sie fest, dass sie mit dem politischen Regime so überhaupt nicht einverstanden war und wie die Frauen unserer Familie nun mal so sind, tat sie das nicht gerade heimlich oder leise. Eine Zeit lang schützte sie der Umstand, dass sie mit einem hohen Offizier verheiratet war (nur eine ihrer sieben Ehen), den hatte sie aber längst verlassen, genau wegen seiner politischen Gesinnung. Auf Dauer wurde das dann aber doch etwas gefährlich und so beschlossen die Amerikaner 1943, sie auszufliegen und in Sicherheit zu bringen. Ihr gesamtes Hab und Gut wurde in einem Eisenbahnwaggon eingelagert und verplompt und stand bis Kriegsende auf einem Abstellgleis unter amerikanischer Aufsicht (wo sie übrigens nach Kriegsende alles in genau dem Zustand wieder abholen konnte), sie selber und meine Mutter (damals 3 Jahre alt), wurden auf den Kranzberg gebracht. Landschaftlich ziemlich hübsch, ansonsten mehr als abgelegen und den Großteil des Jahres war sie auf sich alleine gestellt, besonders im Winter, denn da war der Kranzberg zugeschneit und nicht mehr zu erreichen. Immerhin sicher war es dort! (Im ersten Winter sah meine Großmutter sich übrigens gezwungen, entweder zu erfrieren, oder alleine einen Baum zu fällen. Sie entschied sich für, bzw. gegen den Baum, denn der war ja anschließend tot, weil gefällt.)

Alles, was irgendwie mit Nachschub zu tun hatte, war eine ziemlich schwierige Angelegenheit und so war es für meine Großmutter ein riesiges Geschenk, als sie aus Schweden echte Fuchshaarpinsel bekam, als Künstlerin brauchte sie Material, nur die Beschaffung war inzwischen praktisch unmöglich geworden, noch dazu auf dem Kranzberg.

Leider hatte sie nicht damit gerechnet, dass meine Mutter ihr etwas Gutes tun wollte, die sah nämlich die Pinsel (derweil meine Großmutter mal wieder im Wald an ihrem Baum säbelte) und fand es unmöglich, dass da keine zwei Haare die gleiche Länge hätten und kurzerhand schnitt sie die Pinselhaare auf eine Länge. Als meine Großmutter aus dem Wald zurück kam, zeigte meine Mutter ihr gleich stolz ihr Werk und wartete auf Lob.

Innerlich weinte meine Großmutter, da sie aber wußte, dass meine Mutter es gut gemeint hatte, lobte sie sie trotzdem, aber es muß ihr sehr, sehr schwer gefallen sein.

Ich hatte viele Jahre später auch was davon, denn auch ich wollte meiner Mutter etwas Gutes tun und in Ermangelung von Pinseln nahm ich mir etwas Größeres vor: Den Perserteppich in unserem Wohnzimmer!

Das vordere Wohnzimmer war etwa 4x5 Meter und der Teppich raumfüllend, also richtig teuer und er hatte Teppichfransen. Teppichfransen mußten was Tolles sein, denn die wurden regelmäßig mit einem Stahlkamm geradegekämmt. Störend fand ich allerdings, dass die irgendwie alle unegal lang waren und das wollte ich für meine Mutter jetzt in Ordnung bringen.

Vielleicht kann man sich vorstellen, was dabei rauskommt, wenn ein Kind mit einer Nagelschere(!) über mehrere Meter versucht, freihändig zu schnibbeln, kurz: Es war krumm! Naja, macht ja nix, waren ja genug Fransen dran, also nochmal von vorne. Da das leider auch nicht wirklich besser war, ich aber so schnell nicht aufgeben wollte, waren am Ende überhaupt keine Fransen mehr dran, das aber wenigstens halbwegs gleichmäßig und stolz präsentierte ich mein Werk meiner Mutter.

Ich vermute, nur ihrer eigene Geschichte mit den Fuchshaarpinseln hat mir das Leben gerettet und es hat eine ganze Weile gedauert, bis endlich ein Teppichknüpfer gefunden war, der wochenlang bei uns saß und neue Fransen anknüpfte, das Teil war nämlich so groß, dass es unmöglich gewesen wäre, das weg zu geben.

Erst viele Jahre später verstand ich, was ich da überhaupt angerichtet hatte, und was das wohl gekostet haben mochte und vor allem, welche Überwindung es meine Mutter gekostet haben mußte, sich auch noch bei mir zu bedanken.
Wo ich es doch nur gut gemeint hatte ...

Bescheidene Wünsche

So größenwahnsinnig ich ja wohl schon von Geburt an war, so bescheiden waren die Wünsche meiner Frau Mama.

Irgendwas war bei mir ja schief gegangen, denn ich war kein kleines Mädchen, ich war eindeutig ein kleiner Junge! (meine Schwester bot aber ausreichend Ersatz, sie liebe rosa Seidenschleifchen in den Haaren, spielte mit Puppen und machte ständig nur langweiligen Mädchenkram)

Derweil meine Schwester also stundenlang andächtig meiner Großmutter beim Nähen von Puppenkleidchen zuguckte, turnte ich auf Bäumen herum, trieb mich auf Baustellen herum oder prügelte mich mit den Jungs. Wenn ich abends heimkam, wurde ich an der Haustür an meinen Klamotten hochgehoben und so wie ich war, in die Badewanne gestellt. Dort wurden dann erst mal meine Taschen ausgeleert (nicht selten gab es lebendige Fundstücke wie Frösche oder Schnecken) und dann der gröbste Dreck abgeklopft. In ganz schlimmen Fällen (nicht unbedingt selten) wurde ich direkt mit Klamotten abgeduscht und danach wurden dann die üblichen Wunden versorgt und desinfiziert.

Meine Mutter hatte mit Mitte dreißig nur einen wirklich großen Wunsch: Sie wollte einmal ihre jüngste Tochter mit heilen Knien sehen!
PHA! Mädchenkram!

Irgendwann hatte sie dann aber wohl genug davon und schleppte mich in Münsters größtes Lederfachgeschäft (Harenberg, richtig groß, richtig teuer) und stellte mich dort einer etwas verblüfften Verkäuferin mitten auf die Ladentheke und erklärte wutschnaubend: "Für dieses Wesen möchte ich bitte eine krachtenlederne Hose, die über die Knie geht und das so schnell wie möglich, egal, was das kostet!"

Danach waren meine Knie nicht mehr ganz so häufig blutig, aber ein Mädchen wurde trotzdem erst sehr viel später aus mir.

Unheilvolle Stille

Ich war ein besonders interessiertes und ebenso motiviertes Kind und meine Mutter mit Mitte dreißig komplett grau (Sie behauptet natürlich, es habe da einen Zusammenhang gegeben, das streite ich aber entschieden ab!).

Solange meine Mutter mich hören und/oder sehen konnte, war fast alles in Ordnung, aber wehe, sie hörte oder sah länger als 10 Minuten nichts von mir, sofort witterte sie Unheil (womit sie so ziemlich immer genau richtig lag).

Irgendwann fing das an, mir etwas auf die Nerven zu gehen und echt lästig zu werden, es musste also ein gescheite Strategie her.

Meine Großmutter erzählte mir immer was vom lieben Gott, las mir stundenlang aus der Bibel vor und schleppte mich in die Kirche, wo ich immer andächtig still sein sollte. Zu irgendwas musste das doch gut sein und schließlich zahlte sich das doch noch aus: Ich richtete mich häuslich im vorderen Wohnzimmer hinter der einen Couch ein (sie stand quer vor einer Ecke, dahinter war also etwas Platz) und wartete. Still natürlich.

Ein paar Minuten später tauchte natürlich meine Mutter auf, der diese Stille unheilvoll laut dröhnte und fragte, was ich da denn bitte mache?

"Stör mich bitte nicht, ich unterhalte mich mit dem lieben Gott!" erklärte ich ihr und tief beeindruckt ging sie wieder.

Leider hat das nicht sehr lange gehalten, denn beim nächsten Hausputz fand sie heraus, was für hübsche Handabdrücke ich mit dem grünen Pril an die Tapete hinter dem Sofa machen konnte ...

Ein ganz besonderer Name

Als ich ... hm ... keine Ahnung, wie alt ich war ... also jedenfalls noch ziemlich klein ... bekam ich von meiner Tante einen Teddy. Es muß Weihnachten gewesen sein, denn am gleichen Tag bekam auch meine Schwester von besagter Tante einen Teddy.

Meine Mutter erklärte mir, dass ich mir einen Namen für diesen Teddy ausdenken müsse und diese Entscheidung wohlüberlegt sein müsse, denn Teddy werde diesen Namen für immer tragen, es sollte also ein ganz besonderer Name sein.

Meine Schwester war schnell fertig mit der Aufgabe und fortan hieß ihr Teddy "Susi", derweil ich für den Rest des Tages verschwunden und wohl angenehm still war. Meine Mutter erzählt noch heute, dass ich stundenlang mit hochkonzentriertem Gesich vor meinem Teddy saß und ganz offensichtlich schwer zu denken hatte und erst zum Abendessen wieder auftauchte und stolz verkündete, ich habe jetzt den passenden Namen für meinen Teddy:

Da ich von meiner Mutter frühzeitig darüber informiert worden war, dass ich etwas ganz Besonderes bin, gab es letztlich überhaupt nur einen einzigen Namen, der für meinen Teddy in Frage kam, der ja unzweifelhaft auch etwas ganz Besonders war: Stefanie!

Mein Teddy hieß also Stefanie und wir waren ein prima Gespann, nur der Teddy etwas sehr still, nachdem ich ihm ein Vollbad verpaßt hatte: Eine halbe Trommel Waschpulver auf ein Handwaschbecken voll Wasser. Stefanie konnte danach zwar nicht mehr blöken, wenn man ihr auf den Bauch drückte, aber sie roch noch jahrelang aprilfrisch.

Werte

Die Frage nach Werten in der heutigen Zeit hört man immer öfter und fast immer in Zusammenhang mit der Frage, wer die festzulegen habe und wann.

Tja, wie war das bei mir? Und wann?

Im Gegensatz zu meiner Schwester, die sich kaum an unsere Kindheit erinnert (sie behauptet, sie sei mit etwa 12 Jahren fertig vom Baum gefallen), erinnere ich mich sogar noch an die Zeit, als ich noch im Gitterbettchen lag und spätestens da begann meiner Mutter bei mir mit der Vermittlung von Werten:

Es gab bei uns nie so was wie ein Nachtlicht gegen Angst vor der Dunkelheit, dafür gab es etwas anderes: Sicherheit!
Über meinem Gitterbettchen (übrigens ein elegantes Modell in elfenbeinfarbenem, glatt poliertem Holz, wohingegen das meiner Schwester in gewöhnlichem mittelbraunem, einfach lackiertem Holz war), war eine Wandlampe mit einem Zugschalter. An diesen Zugschalter war eine lange Schnur mit bunten Holzkugeln geknotet, die in meinem Bettchen lag. Sollte ich nachts aufwachen und mich im Dunkeln fürchten, hätte ich nur an der Schnur ziehen müssen und das Licht wäre angegangen. Wir hatten das ein paar Mal probiert, ich wusste, dass es funktioniert und fühlte mich sicher, also brauchte ich es nicht.

In einer Nacht half aber auch Licht nicht, ich weinte und weinte und war nicht zu beruhigen. Meine Mutter hatte mich bereits aus dem Bett geholt (vermutlich vorher ich sie *g*) und trug mich durch die Gegend, aber auch das half nicht. Ich weinte, als wolle ich nie wieder damit aufhören.

Schließlich ging sie mit mir zu unserem Vorratsschrank, öffnete ihn und entnahm ihm eine "einfache" Rolle Toilettenpapier. Diese Rolle Toilettenpapier, so erklärte sie mir, sei ganz alleine meine Rolle und niemand auf der Welt außer mir, dürfe sie benutzen, es sei denn, ich würde es ausdrücklich erlauben. Und weil das meine Rolle sei und ich etwas ganz Besonderes, sei jetzt auch diese Rolle etwas ganz Besonderes und ich solle gut darauf aufpassen!

Damit legte sie mich in mein Bettchen zurück (die Rolle hielt ich fest umklammert) und ich vermute, noch bevor mein Kopf das Kissen berührte, war ich bereits wieder eingeschlafen, selig in meiner ganzen Besonderheit.

Meine Mutter hat immer behauptet, das sei die Lektion gewesen, in der ich gelernt habe, dass man Leute auch mit kleinen Dingen glücklich machen kann, ich hingegen vermute, dass in dieser Nacht die Basis für meinen Größenwahn gelegt wurde! (der nächste Tag war dann übrigens die Basis für die dazugehörige Großzügigkeit, denn völlig selbstlos bot ich meiner Schwester an, von meiner Rolle soviel haben zu dürfen, wie sie haben mochte und das war ein echtes Wunder, wir konnten uns nämlich nicht ausstehen. Damals! Heute liebe ich sie heiß und innig!).

Leider weiß ich nicht mehr, was aus dieser so besonderen Rolle Toilettenpapier geworden ist und auch meine Mutter kann sich an deren weiteren Verbleib nicht erinnern, aber sie hat uns gute Dienste geleistet.

Was man wirklich über Führung wissen muss

Irgendwie hänge ich ja im Moment an dem Thema „Führung“ und was Führung ausmacht.

Im Laufe meins Lebens habe ich schon mehr als ein Seminar zum Thema „Führung“ gemacht und so sehr ich mich auch anstrenge, das wirklich Wichtige zu dem Thema habe ich bereits im Kindergarten gelernt:

Ob man die Bereitschaft hat, Führung zu übernehmen, zeigt sich ja üblicherweise recht früh, bei mir war es halt der Kindergarten. Wir hatten da eine Bande (damals sprach man noch nicht von „Gangs“ und auch unsere Aktivitäten waren deutlich harmloser, als das heutzutage wohl der Fall ist, wir haben so gefährliche Sachen gemacht wie Marienkäfer sammeln, oder Mutters Goldmünzensammlung durch die Sandmühle drehen –Mutters, nicht so wirklich begeisterte, Reaktion war der gefährlichste Teil dabei) und schon vor Eintritt in den Kindergarten, hatte man mir beigebracht, dass Dinge, die man sich selber erarbeitet hat, erheblich mehr wert sind als Dinge, die man sich für Geld gekauft hat. Damit war klar: Man musste erst mal etwas leisten, bevor man in der Bande mitmachen durfte! (Hätte ich jetzt extra erwähnen müssen, dass ich der Chef der Bande war?)

Um da jedenfalls mitmachen zu dürfen, so hatte ich das festgelegt, musste man einen lebenden Regenwurm runterschlucken! Haben die auch alle brav gemacht.

Eines Tages kam aber einer „meiner Jungs“ (mit Mädchen hatte ich es noch nie so) und fragte mich vor versammelter Truppe, wie das denn so mit mir sei und ob ich denn nicht auch einen Regenwurm ….? Oder ob das anders wäre, weil ich ein Mädchen sei?

1. Lektion: Wer intelligente MA hat, muss damit rechnen, dass sie früher oder später auch unbequeme Fragen stellen.

Ein Blick über die Gesichter der anderen Bandenmitglieder zeigte mir, dass ein Kopfnicken von mir genügt hätte und die hätten diesen vorwitzigen Knaben kräftig verhauen. Der hätte bestimmt keine Fragen mehr gestellt! Früher oder später wäre aber wer anders aufgetaucht, der die gleiche Frage stellen würde.

2. Lektion: Gewalt ist keine Lösung und kein geeignetes Führungsinstrument. Jedenfalls nicht auf Dauer!

Da Größenwahn schon immer meine bevorzugte Reaktion war, wenn ich schnell handeln musste und niemand merken sollte, dass ich verunsichert war, erklärte ich großkotzig, dass das eine sehr gute Frage sei …

3. Lektion: Den Angreifer loben, das bringt ihn aus dem Konzept und erst mal zur Ruhe!

… und ich sogar zwei Regenwürmer essen würde! Immerhin sei ich ja der Boss und zudem ein Mädchen!

4. Lektion: Um seine Führungsposition zu behalten, muss man verdammt viel „Dreck fressen“, Frauen sogar doppelt soviel.

Ich bückte mich also, griff mir zwei Regenwürmer und schluckte sie runter (ok, ich habe sie nur runtergewürgt, darauf rumkauen mochte ich dann doch nicht).

5. Lektion: Zu erfolgreicher, dauerhafter Führung gehört eine riesige Portion Glück, denn wie wäre das ausgegangen, wenn es an dem Tag nicht geregnet hätte und weit und breit keine Regenwürmer gewesen wären?

Damals war ich vier Jahre alt, aber wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich über diese fünf Lektionen hinaus bisher nichts wirklich Erwähnenswertes zu diesem Thema dazugelernt.

Der seltsame Humor von Ärzten

Ich finde ja immer schon, dass Ärzte einen etwas seltsamen Humor haben und vermute, dass hat etwas mit den weißen Kitteln zu tun, die sie tragen. Und ich vermute weiter, dass es kein Zufall ist, dass Metzger von alters her die gleichen, weißen Kittel tragen!

Mein Augenarzt teilte mir jedenfalls mit, dass das alles nicht so wirklich gut aussieht (nicht ohne anzumerken, dass er das jetzt aus seiner Sicht betrachtet meint, aus meiner Sicht sei ja gerade nicht sonderlich viel mit Sicht) und es eine sehr, sehr dringende Empfehlung sei, die nächsten sechs bis acht Wochen bitte nur möglichst helles Tageslicht, so wenig Lichtschwankungen wie möglich und bitte kein künstliches Licht. Man kann ja über meinen Humor sagen, was man will, aber das finde ich dann irgendwie unterhaltsam und habe wohl auch gelacht. Nachdem er sich meinen Job hat erklären lassen, zückt er seinen Krankschreibeblock und erklärt mir, dass ich die nächsten sechs Wochen auf jeden Fall daheim bleiben soll (was ich natürlich ablehne).

Ich erkläre ihm also die -wie ich finde- sehr übersichtliche Rollenverteilung zwischen Arzt und Patient:
Als Patient bringe ich die Krankheit mit und damit ist mein Part praktisch erledigt. Als Arzt sorgt er dann bitte für die Heilung und wie er das macht, geht mich nichts an, ich habe das schließlich nicht studiert. Überhaupt nicht hilfreich ist ein gelber (neuerdings wohl rosa) Zettel, auf dem steht, dass ich krank bin, das wusste ich nämlich schon, sonst wäre ich ja nicht hergekommen.

Wir "einigen" uns darauf, dass ich tue, was ich kann und lasse, was ich nicht kann und ich frage vorsichtig, wie das mit Auto fahren ist. (Aktuell ist alles, was näher ist als einen Meter wie durch ein Goldfischglas betrachtet, alles was näher als einen halben Meter ist, praktisch nicht erkennbar.)
Er fragt mich höflich, was ich für ein Auto habe, unterbricht sich dann aber und erklärt: "Egal, was für ein Auto Sie haben, alles, was beim Autofahren näher als einen halben Meter ist, befindet sich sowieso bereits auf ihrer Kühlerhaube und ist nicht mehr zu retten, Sie dürfen also fahren!"

Ich weiß noch nicht, ob er ein guter Arzt ist, aber auf jeden Fall ist er unterhaltsam.

Mikrokosmos Wartezimmer

Da sitze ich doch neulich beim Augenarzt im Wartezimmer.

Da Lesen gerade keine besonders gute Option ist, schaue ich mir die Leute an.

Ist schon mal jemandem aufgefallen, dass da irgendwie immer die gleiche Gruppe Menschen sitzt? Ich überlege kurz, ob Ärzte die irgendwo als Paket bestellen können, so ähnlich wie diesen Lesezirkel (das sind die Tratsch-Blättchen, die mir gnadenlos klarmachen, wie alt ich tatsächlich inzwischen bin: Die einzigen Namen, die ich kenne, sind die der Leute, die gestorben sind). Vermutlich wird das unter "laufende Praxis-Ausgaben" sogar von der Steuer abzusetzen sein.

Sie sind alle wieder da:
- das ältere Ehepaar, dass sich sichtlich schon lange nichts mehr zu sagen hat, aber immer noch den Schein zu wahren sucht


- die sehr modisch gekleidete junge Türkin Anfang/Mitte zwanzig mit dem immer wütenden, trotzigem Gesichtsausdruck, die man sich problemlos mit einem Messer zwischen den Zähnen vorstellen kann und bei der man sich immer unwillkürlich fragt, was man ihr getan hat


- die energische "Wartezimmer-Organisiererin" (heute etwas ungewohnt mit einer jungen Frau besetzt), die sich -ganz in ihrer Rolle aufgehend-  umgehend daran macht, jeden Patienten zu befragen, ob er einen Termin hatte und für wann (seltsam, mich hat sie ausgelassen, also zwar penetrant,  aber nicht ganz doof, es besteht also Hoffnung), um dann an den Empfang zu stürmen und dort loszubollern, dass da gerade jemand drangekommen sei,  der überhaupt keinen Termin hatte, sie aber bereits 15 Minuten wartet. Meine höfliche Frage, ob sie das irgendwas anginge, beantwortet sie nur mit  einem wütenden Blick und ich bin ziemlich sicher, da gerade jemanden getroffen zu haben, der mir ausdrücklich keine Weihnachtskarte schicken wird. Immerhin verschwindet sie wieder ins Wartezimmer und ist fortan wohltuend still. Danke!

- die Mutter mit dem wohlerzogenen Kind, das völlig friedlich sein (mitgebrachtes!) Kinderbuch liest

- der übermotivierte junge Schwätzer, der jeden neu reinkommenden Patienten über 50 direkt anfällt und seine Hilfe beim Ausfüllen des Fragebogens aufdrängt (und dabei dem Irrglauben unterliegt, alles oberhalb von 50 sei automatisch schwerhörig und geistig mindestens eingeschränkt, oder wieso brüllt er jeden an und fragt in Zeitlupe Dinge wie "WIE LANGE HABEN SIE DEN HERZSCHRITTMACHER SCHON?" oder "DIABETIS??? HABEN SIE ZUCKER? ICH KREUZE MAL NEIN AN, SIE SEHEN NICHT AUS WIE JEMAND, DER ZUCKER HAT. FALLS DOCH, MÜSSEN SIE DAS DEM ARZT SAGEN!!!!" Kann den denn nicht mal jemand abstellen?

- dann gibt es da immer einen Schweiger um die Mitte/Ende Fünfzig, der kein Wort sagt, nicht einmal hochblickt, nicht liest, einfach nur wartet

- und der jungen Mann Anfang zwanzig, der aussieht wie man sich einen Studenten vorstellt und der von dem ganzen Geschehen um ihn rum völlig unbeeindruckt ist und konzentriert irgendwas in seinen Blackberry tippt, ohne dabei nervige Pipsgeräusche von sich (oder seinem BB) zu geben

In volleren Wartezimmern trifft man oft zusätzlich auf die Gruppe von drei älteren Damen, die leider, leider keine Plätze nebeneinander gefunden haben, sich nur sehr lose kennen (vielleicht aus dem Supermarkt vom Sehen oder die andere Straßenseite, man kennt sich jedenfalls nicht mit Namen) und völlig ungehemmt quer durch das volle Wartezimmer sehr detailreich über wenig unterhaltsame Dinge wie Brustkrebs oder Hämorrieden diskutieren. Was ihnen an Diskretion fehlt, versuchen sie durch Lautstärke auszugleichen.

Hier gab es aber ein echtes Highligt, das man in freier Wildbahn leider sehr selten antrifft: Großvater mit Enkel, der Enkel die Welt erklärt:

Im Wartezimmer liegt eine schematische Darstellung des menschlichen Auges und Großvater erklärt interessiertem Enkel (etwa 5 Jahre alt):

"Die Natur hat die Augen so angeordnet, dass der Mensch nach vorne blickt.

Die Religion hat dem Menschen beigebracht, auch nach rechts und links zu blicken.

Das Leben bringt den Menschen dazu, immer wieder zurück zu blicken!"

Und als ob das an Weisheit für einen Tag nicht genug wäre, blickt Enkel den Großvater an und fragt freundlich:
"Aber fallen sie denn dann nicht vorne über die eigenen Füße?"

Wenn das die Jugend vor morgen ist, mache ich mir um die Zukunft keine Sorgen!

Die Sache mit dem lieben Gott

Sitze ich doch in meinem Auto und höre Radio (sowieso eine Sache, über die man mal nachdenken sollte: Handy benutzen ist verboten, aber stundenlang an meinem Radio rumschrauben ist ok? Und wieso darf man sich während der Fahrt mit dem Beifahrer zanken? Gehört das nicht zu den Dingen, die ggf. ablenken?), da trällert jemand ein Lied, in der es wohl um die Frage geht, ob es einen Gott gibt (der alles richten wird). Die Frage an sich ist ja nicht neu und weiter unbeantwortet, aber die Zusatzfrage fand ich gut: "Bist Du vielleicht eine Frau, weil Du immer zu spät bist?"

Da fällt mir dann der Song ein, in dem Xaviar Naidoo (irgendwie schreibt der sich anders, aber egal) jemanden Gott anklagen läßt. Er habe ihm versprochen, immer an seiner Seite zu sein, aber wenn er hinter sich blicke, wären da in den schwersten Stunden seines Lebens immer nur eine Spur im Sand zu erkennen gewesen. Und Gott anwortet: "Das waren die Stellen, an denen ich Dich getragen habe!".

Technik-Irrtum

Ich bin im Moment schlecht drauf. Sogar besonders schlecht! Und was tue ich, wenn ich schlecht drauf bin? Ich gehe einkaufen! Vorzugshalber zu MediaDoof oder Saturn. So auch heute.

Die PC-Abteilung war langweilig, hier steht sowieso schon ein PC zuviel rum, in der Notebook-Abteilung das Gleiche, ich habe schon acht.

Vielleicht bei den Fernsehern? Auch nicht, sowohl Schlafzimmer als auch Wohnzimmer sind gerade neu ausgestattet worden.

Aber ein neuer Monitor wäre vielleicht eine Idee? Aktuell habe ich 22 Zoll, das geht doch auch größer? Zwischen lauter ziemlich kleinen Monitoren stand da ein Exemplar in interessanter Größe: 27 Zoll! Na das war doch was für meine alterschwachen Augen? 399 Euro? Egal, das hatte ich mir verdient, ich bin wirklich schlecht drauf. Eingepackt, bezahlt, heim.

Erst mal einen frischen Kaffee und dann das gute Stück ausgepackt. Irgendwie seltsam viele Kabel waren ja schon dabei und auffallend viele Anschlüsse. Hmmm ...

Egal, ein Kabel war für Stom, eines für einen Monitor, der Rest ist Spielzeug.

Eingeschaltet. Erm ... irgendwas stimmt hier nicht. Sendersuchlauf? Schon im Laden hatte ich mich vage mit der Frage beschäftigt, wozu ein PC-Monitor wohl Full-HD braucht, jetzt stellte sich mir die Frage, wozu man wohl für einen PC-Monitor eine Fernbedienung braucht. Und die Bedienungsanleitung war ja oberseltsam, da stand lauter Zeugs von wegen TV.

Tja, wie soll ich es sagen? Ich hatte offensichtlich einen Fernseher gekauft *seufz*

Ab da war ich dann ziemlich dankbar für die vielen Spielzeugkabel und Anschlüsse, man kann einen Full-HD-Fernseher nämlich prima als PC-Monitor nutzen und nach Verwendung einiger weiterer Kabel habe ich meine Boxen am PC abgebaut, so ein Fernseher kann schließlich nicht nur Bild, sondern auch Ton.

Und das Beste: Es handelt sich um ein Samsung-Gerät und die mitgelieferte Fernbedienung funktioniert prima mit meinem Samsung TV im Wohnzimmer, so dass ich jetzt bequem für's Arbeitszimmer eine Zweit-Fernbedienung habe. 399 Euro für eine Fernbedienung mag zwar nicht direkt ein Schnäppchen sein, aber es gab ja noch fünf Zoll PC-Monitor-Erweiterung dazu.