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Ich weiß was ich zu tun habe, wirklich!

Es war kurz vor der Eröffnung des Mövenpick Hotels Weingarten mit angeschlossenem Kultur- und Kongresszentrum Oberschwaben und wir hatten wahrlich alle Hände voll zu tun.

Es wäre schneller gegangen, wenn unser Direktor nicht darauf bestanden hätte, jeden Tag ein Kadermeeting abzuhalten und jede Abteillung detailliert einzeln abzufragen, was sie heute macht, die letzten zehn Tage sogar zweimal täglich..

Ich hatte mich gerade mit unserem Bauleiter und dem Architekten gezankt, weil ich es irgendwie wenig witzig fand, dass man in die Wand meines Büros ein riesiges Loch gestemmt hatte, alles neu verputzt wurde, danach von beiden Seiten verglast, damit ich aus meinem Büro die Warenannahme sehen konnte, um dann eine schwere Eisentür zwischen Büro und Warenannahme zu installieren, die aus Gründen des Brandschutzes ständig geschlossen sein musste.

Noch weniger witzig fand ich die Tatsache, dass ich eine Warenannahme hatte, in die locker 20 LKWs gepasst hätten, wenn denn ein LKW reingekommen wäre, die Einfahrt war so niedrig, dass da leider, leider kein LKW reinfahren konnte, zumindest nicht ohne den Versuch, fortan einen "Kabrio-LKW" zu haben. Der gründliche Schwabe erklärte mir, dass da leider genau 17,6 cm fehlten (also so genau wollte ich es überhaupt nicht wissen) und die elektrische Hebebühne leider erst nächste Woche fertig sein würde. Na danke schön, ich würde also jede Kiste einzeln zur Laderampe in LKW-Höhe hochwuchten dürfen.

Mein Direktor hatte das mitbekommen, was ihn aber nicht daran hinderte, mich zu fragen, was denn wohl der Einkauf für heute so geplant habe. Sah ich aus, als hätte ich Langeweile??? Das vor meinem Mund war schnittfester Schaum, der war da nicht, weil ich Langeweile hatte.

Meine Antwort hat ihm wohl nicht so richtig gefallen, war aber wohl verständlich: "Mal sehen, nachdem ich die 17 Europaletten, die an der Straße stehen, in die Warenannahme geschleppt habe, packe ich die schnell ab, wuchte die die Rampe hoch und verteile den Kram lässig auf die Lager. Wie ich den Rest des Vormittags vertrödeln werde, habe ich noch nicht geplant, aber bis zum nächsten Meeting um 16 Uhr fällt mir bestimmt noch was ein auf Ihre Frage".

Er beendete umgehend das Meeting und ging stocksteif davon, offensichtlich genau so sauer wie ich.

Wie ich kurz danach feststellen durfte, war er umgehend in sein Büro gegangen, hatte seinen Designer-Anzug durch Designer-Jeans und ein Lacoste-Polohemd ausgetauscht und schleppte zähneknirschend Kisten und Kartons von den Paletten auf der Straße, nicht ohne vorher dem Architekten sehr deutlich seine Meinung mitzuteilen (die sich ungefähr mit meiner deckte) und seiner Sekretärin im Rausgehen aufgetragen zu haben, umgehend und auf der Stelle den größten und teuersten Elektro-Gabelstapler zu bestellen und einen Termin für mich für den dazu passenden Führerschein.

Nachdem wir uns beide ausreichend ausgeknurrt hatten, hatten wir noch richtig Spaß und in der Folge kam er häufiger in Designer-Jeans und Polohemd bei mir vorbei und fragte, ob er mit anpacken dürfe. Er durfte!

Wie ich durch Sturheit an ein Frühstück am Bett kam

Ich war immer noch in Weingarten, das Hotel war inzwischen erfolgreich eröffnet und die erste Inventur stand bevor.

In meinen Material-Lagern standen immer noch diverse vollbepackte Europlatten, aber bis zur Inventur würde ich das schaffen (bei Mövenpick wurde jeden Monat Inventur gemacht, bis runter zu den Papier-Tischsets, die einzeln zu zählen waren. Weingarten hatte 213.000 Papiersets, die einzeln nach Motiv sortiert, aufzunehmen waren).

Mein Direktor (früher selber mal Einkaufsleiter in Trier, da musste irgendwo ein Nest gewesen sein, der Vize war da früher auch mal Einkaufsleiter gewesen, kein Wunder, dass der Laden verkauft worden war) blickte auf die Ringe unter meinen Augen (Schlaf war uns eher theoretisch bekannt, was für eine Neueröffnung völlig normal war) und meinte, das sei viel zu viel Arbeit, er werde am übernächsten Tag die beiden Damen aus der Buchhaltung in Essen anreisen lassen, die könnten auch mal was arbeiten.

Oh mein Gott! Alles, aber nicht diese beiden vertrockneten Schachteln, die mir sowieso schon dauernd auf die Nerven gingen, aber es war hoffungslos, mein Direktor wollte mich unterstützen.

Ich schickte also meine Mitarbeiter heim, die aber merkten, dass irgendwas nicht in Ordnung war und fragten, ob sie irgendwie helfen könnten. Ja, indem sie jetzt umgehend abhauen und mich in Ruhe lassen.

Ich besorgte mir also erst mal in der Haustechnik Werkzeug und schraubte -gefühlt- mehrere Kilometer Regale zusammen und stellte sie auf. Dann machte ich mich daran, sieben Europlatten abzupacken, nicht ohne vorher die Regale zu beschriften.

Zwischendurch traf ich immer mal wieder auf einen Kaffee und eine Zigarette unseren Bankett-Leiter, der eine Großveranstaltung hatte und auch die ganze Nacht bleiben würde.

Um kurz vor fünf war ich fertig, sehr zufrieden, fegte meine Lager noch blitzeblank und stellte mitten ins das riesige Nonfood-Lager (siehe 213.000 Tischsets) ein Nichtraucherschild auf den Boden, schrieb meinem Assistenten noch kurz einen Zettel, dass er mich bitte unbedingt um acht wecken sollte und er unseren Direktor bitte informieren solle, dass die Hilfe der beiden Buchhaltungsdamen sich erübrigt habe und ging schlafen.

Geweckt wurde ich von einem Klopfen an der Tür, die kurz danach aufgeschlossen wurde (wir wohnten alle noch im Hotel und hatten alle einen Generalschlüssel).

Herein kam mein Assistent mit einem riesigen Frühstückstablett (nicht mal die obligatorische Rose in einer kleinen Vase fehlte) und stellte das auf mein Bett mit den Worten "Ich wusste nicht, ob du lieber O- oder Grapefruitsaft wolltest, also habe ich beides mitgebracht" und erzählte mir, dass unser Direktor morgens in meinem Büro vorbeigekommen war und den Zettel gesehen hatte. Danach hatte er sich die neuen Lager angesehen und die Anordnung erteilt, dass ich auf keinen Fall zu wecken sei, mir aber um 11 ein Frühstück zu servieren sei und ich den Rest des Tages Arbeitsverbot habe (wurde langsam lästig mit diesem Arbeitsverbot, ich war jung, wusste was ich wollte und war bereit, dafür einzusetzen, was nötig war um es zu bekommen).

Was ich nicht so ganz verstand, war die Tatsache, dass mein Assistent einen hochroten Kopf hatte und angesprengt an mir vorbei guckte, während er mir das erzählte.

Nun, ich hatte mich im Bett aufgerichtet und in eine halbwegs aufrechte Position gebracht, dabei aber vergessen, dass ich kein Freund von Nachthemden bin und entsprechend oben rum ausgesprochen unangezogen war.

Kann aber nicht ganz so schlimm gewesen sein, ich war 24, sehr durchtrainiert und ein paar Wochen später sind wir zusammen gezogen, das war aber, nachdem er meine Abteilung verlassen hatte und fortan nicht mehr mein Trainee, bzw. Assistent war, sondern in die Bankettabteilung gewechselt hatte.

Was ist so schwer daran, sich zu entschuldigen? Part 2

Mein Direktor war immer noch neu, immer noch Schwabe, immer noch über zwei Meter lang und seine Leitung immer noch ähnlich lang, aber er hatte mich befördert. Ab sofort war ich nicht nur Leiterin rückwärtige Bereiche, Einkauf und Controlling, sondern zusätzlich noch F&F-Assistentin, ein Titel ohne weiteren Inhalt, aber nötig, um die Gehaltserhöhung zu veranlassen, ich machte meinen Job also irgendwie richtig.

Da wir viele Großveranstaltungen hatten und uns einen Namen für kreative Ideen gemacht hatten, hatten wir im Kadermeeting die Anschaffung eines mobilen Mövenpick-Eiswagens vorgeschlagen (Kostenpunkt irgendwas um die 7.800 DM) und er hatte das rundweg abgelehnt, weil er nicht einsah, wozu eine so hohe Investition notwendig sein sollte. Trotzig hängte ich das Angebot mit hübscher Abbildung in Farbe hinter dem Schreibtisch meines (und seines) Vize-Direktors und Bankett-Managers (und mir inzwischen ein guter Freund) auf, so dass er jedes Mal, wenn er in dessen Büro ging, genau darauf guckte, das aber ignorierte (nicht nur ich konnte trotzig sein!).

Naja, Neu-Ulm halt, er hatte sich immer noch nicht an die Dimensionen unserer Großveranstaltungen gewöhnt, war mitunter aber Weltmeister, wenn es darum ging, mit einem einzigen Satz das komplette Kader schwer zu verärgern und dazu zu bringen, tagelang kein Wort mit ihm zu reden, bis auf das Nötigste halt, immerhin war er ja der Direktor, wenn auch Schwabe, neu und ... naja, hatten wir ja schon.

Ich weiß nicht mehr, mit was er mal wieder seiner kompletten Führunsgmannschaft auf die Zehen getreten war, aber es herrschte wieder eisiges Schweigen, derweil er auf der Suche nach jemandem war, der ein Feierabendbier (bzw. -weizen) mit ihm trank. Vergeblich, wir waren echt sauer.

Schließlich stampfte er durch das komplette F&B-Büro, riss das Angebot von der Wand, kritzelte mit seinem sehr teuren Füller mit echter Goldfeder "Genehmigt" und seinen Namen darauf, knallte das seinem Vize auf den Tisch und grummelte "Geht jetzt bitte jemand mit mir ein Feierabendbier trinken oder muss ich noch was genehmigen?!?"

Wir haben schallend gelacht und sind natürlich mit ihm zu seinen Lieblings-Feierabendbier-Ort (Stadthalle, Empore oberes Foyer) gegangen, wo er uns erklärte, er habe es jetzt endlich verstanden und werde sich zukünftig entschuldigen, wenn er wieder doof gewesen sei, weil das auf Dauer einfach günstiger wäre, bevor er jedem von uns einen Jaguar als Firmenwagen genehmigen müsse, schließlich würde er sich kennen, Fettnäpfchen wären sein zweites Zuhause. Hatten wir bereits bemerkt ...

Was ist so schwer daran, sich zu entschuldigen? Part 1

Wir bekamen einen neuen Direktor, unserer ging nämlich zurück in die Schweiz.

Der "Neue" war Schwabe, deutlich über zwei Meter lang und seine Leitung nicht sehr viel kürzer.

Fasching stand vor der Tür, die schwäbische Variante von Karneval und ein nationales Heiligtum. Hätte ich Karneval nicht schon immer blöd gefunden, spätestens jetzt wäre es soweit gewesen: Mützchen auf und fröhlich sein, Kampfsaufen und die Witze so lahm, dass jedes Mal eine Fanfare kam, damit man wusste, wann man lachen musste. Grässlich!

Für uns hieß das sieben Großveranstaltungen in zehn Tagen mit je etwa 7.000 Personen, ach nee, Schwaben ... äh .. Oberschwaben, noch dazu Selbstzahler, er kam aber aus Neu-Ulm, da hantierte man mit deutlich kleineren Personenzahlen.

Ich hatte schon die ersten 10 Stunden wieder hinter mir und würde natürlich bei dem Kampfeinsatz dabei sein, schließlich musste ja am Ende irgendwer die ganzen Getränkestände (siehe Selbstzahler) abrechnen und den Kellnern sagen, was sie an Umsatz abzugeben hatten, da waren also Kühlkoffer abzurechnen, Fässer und Spirituosenflaschen auszulitern und gleich für die nächste Veranstaltung alles wieder aufzufüllen.

In meinem Kühlschrank tippleten sich die Kirchenmäuse Blasen an die Füße und ich hatte nicht mal mehr Kaffee im Haus, als fuhr ich schnell einkaufen. Als ich mit meinem Päckchen Kaffee und einer Flasche Duschgel zurück kam, begrüßte mich mein Direktor mit der Frage, ob ich vielleicht einen Halbtagsjob habe, wir hätten eine Großveranstaltung vor uns und es sei bestimmt noch jede Menge zu tun.

Ich antwortete, dass ich diese Frage bitte zurückstellen wolle bis nach der Veranstaltung, die ersten 10 Stunden meines Halbtagsjobs habe ich bereits hinter mir und falls er tatsächlich ernsthaft an einer Antwort interessiert sei, möge er mich doch bitte nach der zweiten Hälfte meines Halbtagsjobs nochmal fragen, das werde so etwa morgen Mittag sein und ließ ihn kurzerhand stehen.

Irgendwann so um zwei Uhr morgens kam er mit zwei Weizenbier, einem Aschenbecher und einer Schachtel Rothändle ohne Filter an (bis auf den Aschenbecher alles murks) und wollte sich offensichtlich mit mir versöhnen. Während ich schweigend mein Weizenbier runterwügte und versuchte, nicht an der Rothändle ohne Filter zu ersticken, erklärte er mir, ich möge doch bitte in sein Büro gehen, den dritten Schrank von links öffnen und mir da etwas passendes rausnehmen.

Hm? Sonst haben wir aber keine Sorgen? Was soll`s, der Mann war mein Direktor, also ging ich brav in sein Büro und öffnete den Schrank. Dort fand ich einen Stapel Joggingsanzüge aus Fallschirmseide (nicht Plastik und von sehr guter Qualität) in verschiedenen Größen und jetzt war ich richtig sauer.

Ich nahm also den obersten raus, ging zu ihm zurück, knalle das Ding auf den Tisch und erklärte ihm:

"Wenn Sie mir einen Jogginganzug schenken möchten, dann freut mich das. Wenn Sie sich entschuldigen wollen, dann sollten Sie das tun, aber verwechseln Sie nicht das eine mit dem anderen und halten mich bitte nicht für so blöd, das eine vom anderen nicht unterscheiden zu können!" und ließ ihn das zweite Mal an diesem Tag stehen.

Er hat dann zwei Tage geschmollt und sich schließlich doch noch entschuldigt, den Jogginganzug durfte er aber trotzdem behalten. Ich ahnte nicht, dass wir kurz danach eine zweiten Zusammenstoß dieser Art haben würden, aber danach war er davon geheilt.

Schwer von Begriff

Die Eröffnung des Hotels stand unmittelbar bevor, akuter Schlafmangel war längst Normalzustand, nur dieser Mr. Wichtig, der mir ständig an den Fersen klebte, war lästig. Echt lästig!

Er war neu im Unternehmen, bekleidete eine neu geschaffene Position, hatte sein Büro in Neu-Isenburg und ich wünschte mir, er wäre dort geblieben, statt mich angeblich zu unterstützen, tatsächlich aber ständig behinderte, noch dazu in einem blütenweißen, frisch gestärkten Kittel. Der Mann hatte messerscharfe Bügelfalten in seinem weißen Arbeitskittel, das sagte an sich schon alles: Wichtig, aber total unbrauchbar und warum hatte man den ausgerechnet bei mir abgeladen?

Am Tag vor der Eröffnung hatten wir nach einem knackigen 28-Stunden-Einsatz eine achtstündige Motivationsschulung bei Frank Sessinghaus, die zwar klasse war, noch besser wäre aber Schlaf gewesen, mein komplettes Buffet war noch nicht eingerichtet und ich hatte wirklich echt zu tun, also hängte ich die Nacht gleich noch mit dran, räumte mein Buffet alleine ein und beschriftete jedes Regal, jede Ablage, jeden Schrank, verteilte Weine, Spirituosen, räumte die Eistruhe ein, verteilte Gläser, Tassen und Eisbecher und ging zufrieden duschen.

Als ich zwanzig Minuten später wieder an meinem Buffet vorbei kam, sah ich verstörte Mitarbeiter und den Weißkittel, der offensichtlich alles umräumte. Als er mich sah, winkte er mich gleich ran (wäre nicht nötig gewesen, nach einem kurzen Umweg in die Küche, wo ich mir ein großes, scharfes Messer geliehen hätte, wäre ich sowieso direkt zu ihm gegangen) und erzählte mir, dass das so ja mal überhaupt nicht ginge und drückte mir dabei eine Flasche nach der anderen in den Arm, die ich auch automatisch annahm, bis ich irgendwann nicht nur die Nase, sondern auch die Arme voll hatte, knallte das Ganze auf den Tresen und stürmte mit den Worten "Jetzt reicht's!" davon.

Mein Direktor, der das im Vorbeigehen mitbekommen hatte, direkt hinter mir her, holte mich aber erst auf meinem Zimmer ein, wo ich bereits die Hälfte meine Klamotten in einen Koffer geknallt hatte und wild entschlossen war, jetzt, sofort und auf der Stelle abzureisen.

Er fragte mich sehr vorsichtig, wie denn so die Zusammenarbeit mit Herrn Schäfer funktioniere und da ich ahnte, dass ich eine mittelschweren Tobsuchtsanfall bekommen würde, wenn ich die Wahrheit sagte, das aber immerhin mein Direktor war und ich wusste, dass Herr Schäfer superwichtig war, presste ich nur ein knappes "Bestens!" zwischen den Zähnen raus, was meinem Direktor irgendwie nicht reichte (was ich nicht sofort mitschnitt, ich war ja damit beschäftigt, wahllos Klamotten in meinen Koffer zu knallen).

Er fragte also weiter, ob Herr Schäfer mir denn eine Hilfe sei, schließlich sei er ja dafür hergekommen und ich merkte, wie meine Nackenmuskulatur anfing zu zittern, ein sicheres Zeichen dafür, dass ich sehr bald platzen und sowohl die Nerven, als auch jegliche Form von Höflichkeit verlieren würde, aber er ließ nicht locker, Runde um Runde (er fragend, ich um Höflichkeit bemüht) bis mir endgültig der Kragen platzte und ich ihm sagte, wohin ich seinen Herrn Schäfer wünschte und für was er im besten Fall geeignet war (irgendwas mit Blumenerde, Komposthaufen und Verschimmeln), was mein Direktor mit einem erleichterten "Na endlich, da warte ich schon eine ganze Woche drauf!" kommentierte und der Frage, was ich wohl meinte, wieso er den ausgerechnet mir ans Bein gebunden habe?

Ähm ... HÄ??? Ehrlich, ich war hundemüde, stinksauer, für sprachliche Feinheiten hatte ich jetzt echt keinen Sinn mehr, aber mein Direktor klappte nur meinen Koffer zu, nahm mich an der Hand und ging mit mir zu meinem Buffet und irgendjemandes Herrn Schäfer, dem er erklärte, er habe jetzt genug Unfug angestellt und könne sich umgehend auf den Heimweg machen.

Herr Schäfer hat sein tolles Büro in Neu-Isenburg übrigens nicht mehr selber ausräumen müssen, man hat ihm seinen Kram per Einschreiben in einem Karton zugeschickt und mein Direktor entschuldigte sich bei mir, ich sei aber die einzige Person, bei der er sicher war, dass die sich konkret, aber sachlich zur Unfähigkeit des Herrn Schäfer würde äußern, ich war nur zu müde gewesen, das frühzeitig zu bemerken, dabei hatte er doch ständig Andeutungen gemacht. Nachdem wir unsere Eröffnung dann doch noch über die Bühne gebracht hatten und ich 24 Stunden Arbeitsverbot mit einer Tiefschlafübung verbracht hatte, bat er mich, dauerhaft in Weingarten zu bleiben (ich war ja noch Eröffnungsstütze) und versprach, mir sowas nie wieder an zu tun (was er übrigens gehalten hat).

Grand Master of Whiskey

Mein Direktor war anstrengend!

Nicht genug mit meinem Gabelstaplerführerschein und dem Chef de Cave sollte ich jetzt auch noch an die harten Sachen ran und Grandmaster of Whiskey werden.

Damals wusste ich noch nichts über die Borgs, aber dass Wiederstand zwecklos ist, hatte ich schnell verstanden und so fand ich mich bald bei besagtem Lehrgang, umzingelt von Unmengen von hochprozentigem Alkohol und kapierte endlich, was unter "Petroleum-Note" zu verstehen war. Wer einmal einen Laphroaig probiert hat, weiß, was ich meine.

Einzig interessant fand ich die glasklare Flüssigkeit. Sollte das Zeug nicht braun sein? Während ich also tapfer probierte und das panische "STOP" eine Millisekunde zu spät kam, wechselte erst beim Referenten die Gesichtsfarbe und ganz dicht dahinter dann meine.

Was ich da so lässig auf einen Rutsch weggekippt hatte, war eine Tankprobe, also noch farblos, dafür so hochprozentig, dass mein Magen-/Darmsystem für eine Woche kurzerhand ins Vollkoma fiel und ich hatte Glück, dass ich mir keine Alkoholvergiftung eingefangen hatte. War aber eine Superdiät, nur kommt man leider als Normalsterblicher nicht an Tankproben ran.

Diplomierte Kellerassel

Tja, da war ich also nun als frischgebackener Einkaufsleiter im oberschwäbischen Weingarten im Mövenpick Hotel Weingarten mit angrenzendem Kultur- und Kongresszentrum Weingarten (also Stadthalle und die war so groß, wie sich das anhörte).

Hinsichtlich der Veranstaltungsgrößen und entsprechender Lagerhaltung musste ich erst mal meinen Gabelstaplerführerschein machen, als einzige Frau unter lauter Oberschwaben, noch dazu an einem Samstag und ich sprach Deutsch, die anderen Oberschwäbisch. "Hanoi, wo gascht nah?" war nicht die Frage nach einer chinesischen Inselgruppe, sondern die Frage, wo ich hingehe und richtig blöd war, dass ich im Rausgehen aus jedem Geschäft mit "Adele" verabschiedet wurde, dabei heiße ich überhaupt nicht Adele, sondern Stefanie. Seltsame Leute, sehr seltsam. Aber ich bekam einen elektrischen Gabelstapler und lernte, Europlatten unfallfrei einzuparken, notfalls auch rückwärts (was verboten ist!).

Mein schweizer Direktor meinte allerdings, damit sei meine Weiterbildung nicht fertig, neben palettenweise Meersburger Bengel (ein schwäbisches Produkt, angeblich ein Rotwein, den man vermutlich nur ohne Vergiftungserscheinungen trinken kann, wenn man Eingeborener ist), sollte ich die nötige Ehrfurcht vor dem anderen Rotweinkeller haben, in dem Raritäten wie Chateau Petrus (Jahrgang vergessen) in Regalen lagen, die mit schmiedeeisernen Türen und unzähligen Vorhängeschlössern gesichert waren, eine einzelne Flasche Petrus kostete schon damals 750 DM, netto Einkaufspreis.

Ich sollte Chf de Cave werden (diplomierte Kellerassel also). Abgesehen davon, dass das sündhaft teuer war (zahlte aber die Firma), ging das über Monate, war mit diversen Weinreisen verbunden und überhaupt machte ich mir nichts aus Alkohol. Ob ich nicht einfach weiter ahnungslos bleiben und ihm die Schlüssel für die Schätze aushändigen könnte? Wäre doch irgendwie viel bequemer für alle Beteiligten. NEIN!

Na super, mit dem Thema Wein hatte man mich schon in der Ausbildung echt genervt, das gehörte aber zur Unternehmenskultur und man leistete sich ja auch die Mövenpick Kellereien, die zumindest damals eine sehr guten Ruf hatten.

Abgesehen von den Weinreisen nach Frankreich, Italien, Spanien und in die Schweiz, gab es "Lerneinheiten", die jeweils in Stuttgart stattfanden, womit ich wieder mit der Sprachbarriere konfrontiert wurde, die sprachen nämlich schwäbisch. Menno!

Die Prüfung war aber lustig, ich konnte die Prüfungskommission nämlich davon überzeugen, dass zu frischem Spargel der einzig passende Wein ein Sauternes war (an sich ein Dessertwein und neben pappsüß und dick wie Honig sündhaft teuer) und nach über einem Jahr ständigen Weingeschlabbers habe ich auf meine Prüfung mit einem Glas Bier angestoßen (tatsächlich war es sogar ein Hefeweizen, ich war ja immer noch bei den Oberschwaben).

Viel ist davon wohl nicht hängen geblieben, aber ich könnte wahrscheinlich immer noch jeden Wein einkaufen (war ja mein Job) und auch verkaufen und so ziemlich jedem Durchschnitts-Gast jeden Wein schmackhaft machen (alles eine Frage der Temperatur, über die man jeden Wein manipulieren kann). Nur um echte Weinkenner mache ich immer noch einen möglichst großen Bogen, das Gequatsche von Microklima, Bodenbeschaffenheit und Dingen wie einer ganz feinen Petroleumnote geht mir immer noch unsäglich auf die Nerven.

Die Sache mit dem Vogelsand

An sich hatte ich ja nur für sechs Wochen als Eröffnungsstütze in Weingarten bleiben sollen, machte meinen Job aber wohl nicht ganz schlecht und so bot man mir den Job des Einkaufsleiters an und so blieb ich noch etwas.

Es gab allerdings nicht nur das Hotel, sondern auch die angrenzende Stadthalle und die Dimensionen, in denen ich Ware beschaffen musste, waren deutlich gestiegen. Die Führungstruppe bestand ziemlich genau zur Hälfte aus Leuten aus dem Mövenpick Hotel Münster und zur Hälfte aus Leuten aus dem frisch verkaufen Mövenpick Hotel Trier. Soweit alles in Ordnung und wir hatten neben viel Arbeit auch viel Spaß, nur der Viezedirektor (Trier) lag mir echt quer, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, wäre er nicht außerdem Bankettleiter gewesen (womit ich zwangsläufig viel mit ihm zu tun hatte) und das der Mann war, über den mein Direktor ja behauptet hatte, dass er der beste Einkaufsleiter sei, den es jemals im Unternehmen gegeben hatte und ich eine Menge von ihm lernen könne. Ok, ok, er war wirklich gut, aber er wusste es auch und was mich richtig ärgerte, war die Tatsache, dass er regelmäßig alles mit meinem Assistenten verhandelte (aus Trier, war ja irgendwie klar) und mich ignorierte. MICH!

Wahlweise forderte er lässig Sachen direkt bei mir an, von denen er wusste, dass es eines mittleren Wunders bedurfte, um die in der Menge, Ausführung oder dem Zeitraum zu beschaffen. Ich konnte den Kerl nicht ausstehen!

Das wurde nicht besser, als er eine Lageranforderung über 50 Kilo Vogelsand schrieb, führte aber dazu, dass ich ernsthaft an seinem Geisteszustand zweifelte. Was zum Donner wollte der Mann mit 50 Kilo Vogelsand und wo bitte sollte ich die bekommen? Weingarten beginnt auf der Rückseite des Ortsausgangsschildes von Ravensburg, ist tiefste Provinz und außer einer weltberühmten Basilika, dem neu eröffneten Mövenpick und echt viel Gegend gab es da nichts, dafür hingen überall Plakate "Was ist das Beste an Weingarten? KEIN McDonalds!" und das meinten die total ernst. Provinz halt, noch dazu Oberschwäbische!

Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass der Mann ein 7-Gang-Menü für 800 Menschen verkauft hatte und der Veranstalter sich nicht an das Vorurteil des geizigen Schwabens gehalten hatte. Üblicherweise gibt es bei sowas fünf Menüvorschläge, bei dem man ziemlich sicher davon ausgehen kann, dass der günstigste und der teuerste nicht genommen werden und so hatten er und der Küchenchef (Münster) beim teuersten Vorschlag beim Dessert keine Lust mehr und boten als Dessert "Wüstensturm" an, ohne eine Ahnung zu haben, was das sein könnte, kostete aber 15 DM. Dummerweise nahm der Veranstalter den teuersten Vorschlag, also musste man klären, was denn jetzt "Wüstensturm" sein könnte: Ein großer Teller im Dekor "Indian Tree, Fahne light" (die ich natürlich auch in ausreichender Menge zu besorgen hatte), auf den Vogelsand in größerer Menge gestreut wurde. In den Sand wurden Mini-Kakteen gesetzt (am Teller durch unseren Blumenlieferanten mit einer Heißklebepistole festgeklebt), dazu ein paar Lametta-Palmen (Deko für Eisbecher) und der Rest war dann ein Glasschälchen mit einer Kugel Vanilleeis mit Roter Grütze.

Vogelsand, ja? Der Mann hatte doch echt Probleme, ach nee, die hatte ich ja jetzt. Na dann wollten wir doch mal sehen, wer zuletzt lacht, also fuhr ich zum nächsten Baustoffgroßhändler (nein, einfache Baumärkte gab es da nicht) und kaufte einen 50-Kilo-Sack feinen, weißen Quarzsand, den ich mitten in seinem Büro abstellen ließ (von seinem Kumpel, bzw. meinem Assistenten).

Der Mann, den ich nicht mochte und der mir jegliche Anerkennung hartnäckig verweigerte, zeigte sich zum ersten Mal beeindruckt, mein weißer Quarzsand war nämlich nicht nur sehr viel günstiger als sein doofer Vogelsand, er sah auch deutlich besser aus als sein grobkörniger Vogelsand.

Als ich dann nach der Veranstaltung (die übrigens ein riesiger Erfolg war und damit der Anfang sehr vieler, sehr großer Veranstaltungen), den Sand wieder einsammeln ließ und zum fünffachen des Preises an die Stadt Weingarten als Sand für Standascher verkaufte, hatte ich gewonnen: Er ließ mich dreimal langsam seinen Namen sagen (der ein echter Zungenbrecher war) und erklärte mir dann, sein Name sei Günther und ich echt genial.

Geht doch und wir haben noch so manche Riesen-Veranstaltung gemeinsam gemeistert.

Als er dann nach Kassel ging, um dort das Schlosshotel Wilhelmshöhe als Direktor zu übernehmen, rief er nach sechs Wochen meinen Direktor an mit den Worten: "Ich komme hier nicht klar, ich brauche Kruse!", was mir in der Folge fast zehn Jahre in selbigem Hotel einbrachte und enge Beziehungen zur Spielbank Kassel, die bei uns Untermieter war und mit denen ich ähnliche Geschäfte machte, wie mit der Stadt Weingarten g